Ruhe Sanft
hohen Pfennigabsätzen sehen konnte. Große Diamanten glitzerten an den Ohren und den überraschend zierlichen Handgelenken und Fingern.
Ihr Gesicht mit hohen Backenknochen war von der Hitze in der Küche hochrot angelaufen, und sie war ein wenig kurzatmig, aber die dramatisch schwarz umrandeten Augen glänzten und blickten hellwach. Ihr Haar war in einem Ton irgendwo zwischen Braun und Rot gefärbt. Irgend etwas in der Art, wie sie Kopf und Nacken hielt, brachte Wetzon auf den Gedanken, sie könnte vor langer Zeit Tänzerin gewesen sein.
»Ilena, mein Schatz, das ist Tuvyas Freundin, Vetski...«
»Sie sind Russin?«
»Gib mir deinen Mantel, meine kleine russische Prinzessin.« Teddy feixte sie an. »Vetski.« Er wirkte vollkommen erholt von ihrer Flucht. »Setzen wir uns. Ich könnte ein Pferd verspeisen.« Er nahm ihren Mantel und gab Misha beide. »Vielleicht können Sie meiner Freundin Vetski hier helfen. Sie hat ein Problem mit einer Ihrer... Genossinnen...« Er lachte. Misha und Ilena lachten mit, aber Wetzon empfand es als ein wachsames Lachen, und an ihren Gesichtern war keine Regung abzulesen. Warum war Teddy so ein Trampel? Sie trat ihm mit dem Stiefel leicht auf den Fuß, was er nicht beachtete.
»Kommen Sie, setzen wir uns, essen wir, reden wir«, sagte Ilena. Sie hob die Hand mit einem Schlenker hoch, und zwei Kellner sausten in die Küche, kamen mit beladenen Tabletts wieder und gingen ihnen zu einem der rechteckigen Tische vor den Zweierbänken voran. Der Tisch war bereits mit Porzellan, Silber und Gläsern gedeckt. Als sie das fürstliche Mahl aus derma, Kohlrouladen, gedünstetem Fisch, Kaviar und dicken Bratenscheiben von den riesigen Tabletts serviert hatten, konnte man kaum noch die Tischdecke sehen. Eine Flasche Wodka Absolut und eine gewaltige Flasche Mineralwasser standen zwischen den Platten. Während Wetzon noch staunend zusah, stellte ein anderer Kellner, der mit dem übergroßen Tablett mit Speisen wie ein Zwerg aussah eine Flasche Hennessy auf den Tisch.
»Also was ist Problem?« fragte Ilena, sobald alle Platz genommen hatten, Ilena und Misha an der Außenseite, Teddy und Wetzon auf der Bank. »Wodka für alle«, rief sie dem in der Nähe wartenden Kellner zu, der herüberkam und die großen Schnapsgläser füllte. »Kommt, wir trinken, Ihr Lieben, und wir wünschen uns gute Gesundheit, langes Leben und Gott segne Amerika.«
Wetzon lachte. Im Wodka in ihrem Glas schwebten winzige dunkle Pünktchen. Sie stippte die Fingerspitze hinein und kostete. Pfeffer.
» L’chaim .« Teddy legte den Kopf in den Nacken und kippte das ganze Schnapsglas runter.
» L’chaim .« Misha und Ilena machten dasselbe.
»Auf geht’s, Vetski«, hänselte Teddy, der wußte, daß sie nie etwas anderes als Bier trank.
Sie schnitt ihm ein Gesicht und nahm ein vorsichtiges Schlückchen. Eine Lache aus Glut wärmte ihren Mund und verbrannte ihre Zunge. Sie behielt die scharfe Flüssigkeit im Mund, kostete das Aroma aus und ließ sie dann durch die Kehle rinnen, wo sie explodierte. »Hilfe, Feuer«, keuchte sie und nahm das Glas Wasser, das Teddy ihr hinhielt.
»Essen, essen«, drängte Ilena und schob ihr einen Teller pelmeni hin, über die sie Essig und saure Sahne goß. »Müssen essen zum Wodka. Ist wichtig.«
»So, Vetski, sagen Sie uns...« Misha drückte beruhigend ihre Hand.
»Das ist eine lange Geschichte...« Wetzon spießte eine pelmeni auf und steckte sie in den Mund. Der Geschmack war exotisch, herb, eigenartig lindernd.
»Ida Tormenkov.« Teddy unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung.
Misha wurde bleich. »Ida...«
Ilenas stumme Geste mit dem Kopf war so klein, daß sie jeder übersehen konnte. Wetzon entging sie jedoch nicht. Verflixt. Warum hatte Teddy das getan? Es war nicht ihre Art, mit der Tür ins Haus zu fallen, und es war ihre Geschichte. Sie hatte diesen schnellen Austausch zwischen Misha und Ilena bemerkt und stupste unter dem Tisch Teddys Knie an.
Ein Geiger stieß zu dem Akkordeonspieler, und die zwei begannen, zwischen den vollbesetzten Tischen herumzuwandern und eine schwungvolle Melodie zu spielen, die anscheinend alle kannten. Die Stammgäste klatschten im Takt der Musik.
»Misha, Ilena, Sie kennen alle hier.« Teddy ging auf sein Ziel los wie ein Elefant im Porzellanladen. Es gab eine lange Pause. Wetzons Finger spielten mit dem Nebel, der sich auf ihrem kalten Glas gebildet hatte.
»Ist für uns fremder Name«, sagte Misha schließlich mit gekünstelter
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