Ruhe Sanft
kleines eingeführtes Haus in Jersey City. Nach meinem Examen wurde ich dann fest als Wertpapierhändler angestellt.« Er ließ seinen Blick über eine große Blonde mit Farrah-Fawcett-Frisur und einem knöchellangen Rotfuchsmantel schweifen. Sie erwiderte seinen sinnlichen Blick mit einem ebenbürtigen und ging weiter.
Wetzon wartete und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. Es war nicht ungewöhnlich, daß Makler sie wie eine Mutter behandelten, ein geschlechtsloses Wesen. »Und wie kamen Sie dann zu Merrill?« fragte sie, während sie seine ganze Erscheinung betrachtete und sich fragte, warum sie ihn nicht sexy fand.
Er wandte sich ohne Verlegenheit wieder Wetzon zu. »Ich lernte meinen Geschäftsführer, Jim Black, im Zug kennen, auf der Path-Linie. Er ist übrigens ein Pfundskerl. Er ist wie ein Vater zu mir gewesen. Er hat mich rübergeholt.«
»Was für Kunden haben Sie? Was für Geschäfte machen Sie?« Das Bier ließ ihr die Hitze in die Wangen steigen.
»Ha, das sind Hedgegelder, wissen Sie, institutionell. Ich mache großen Umsatz mit Konsortien.«
»Dann brauchen Sie eines von den ganz großen Häusern. Schön. Als nächstes die Millionen-Dollar-Frage: Warum wollen Sie wechseln?«
»Tja, verstehen Sie mich nicht falsch, Wetzon. Ich möchte nicht weggehen. Man hat mich dort wirklich gut behandelt, und ich habe diesen Jim Black sehr gern. Ich würde alles für ihn tun. Aber man will mir meine Auszahlung auf meine institutionellen Konten kürzen, und das ist einfach nicht in Ordnung. Man hat mir Versprechungen gemacht, als ich hier anfing, und jetzt werden sie gebrochen.« Er redete mit allergrößter Aufrichtigkeit und sah sie dabei direkt an.
Sie glaubte ihm nicht. Irgend etwas roch falsch. »Ich bin überrascht, daß man Ihnen überhaupt institutionelle Kunden läßt...«
»Na ja, wenn die mir krumm kommen, bin ich von heute auf morgen weg.« Er grinste sie mit einem charmanten schiefen Lächeln an. »Also, Wetzon, was können Sie für mich tun?«
Sie würde sehr gründlich darüber nachdenken müssen, wie sie ihn präsentieren könnte. »Mit wem haben Sie schon gesprochen?«
»Smith Barney. Sie lieben mich. Habe ein hübsches Vorauszahlungsangebot in bar.«
Ach ja? Sie wußte, daß Smith Barney keine hübschen Vorauszahlungsangebote in bar machte. Zumindest nicht, seit die Firma von Sandy Weill gekauft worden war, von dem brillanten und geachteten Wall-Street-Strategen, der Shearson zu einer Megafirma ausgebaut und dann an American Express verkauft hatte. Aber sie konnten natürlich ihre Ansicht geändert haben. Und Kevin De Haven war eindeutig ein ganz Großer. »Sie sollten Kontakt mit Prudential-Bache aufnehmen, bevor Sie sich endgültig entscheiden, und mit Shearson. Shearson ist wahrscheinlich zur Zeit das stärkste Konsortium.«
»Machen Sie sofort etwas aus, okay, Wetzon? Morgen, wenn es geht. Und hören Sie, Wetzon, sprechen Sie nicht mit Joey, bis ich mich entschieden habe.«
»Geht in Ordnung.«
Der Barkeeper kam zu ihnen. »Haben Sie noch einen Wunsch?«
»Und ich sage auch nicht, daß ich Merrill verlasse.« De Haven übersah den Barkeeper und bedachte sie mit einem Filmstarlächeln. »Dieser Jim Black ist ein Fürst, ein echter Fürst. Und er ist verdammt gut zu mir gewesen.«
»Die Rechnung bitte«, sagte Wetzon und griff nach ihrer Brieftasche, aber De Haven hielt ihren Arm fest.
»Kommt nicht in Frage«, sagte er. »Ich lasse nie eine Dame für mich zahlen.«
»Na gut, wenn Sie es so sehen...« Sie lächelte. Das würde ihr so schnell nicht wieder passieren, weil Makler nie nach der Rechnung fragten. Aber warum sollten sie auch? Wer lud wen zum Drink ein?
Sie tauschten ihre Geschäftskarten, und sie glitt vom Barhocker.
»Ich rufe Sie morgen an und gebe Ihnen einige Gesprächstermine. Überstürzen Sie nichts, und nehmen Sie nichts ohne gründliche Überlegung an. Sie müssen andere Firmen kennenlernen, damit Sie vergleichen können.« Sie gab De Haven die Hand, winkte Joey Mancuso zu und ging hinaus in die Kälte zur Vanderbilt Avenue. Sie bekam ein Taxi, das sie zu Patek ‘s an der Madison und 89. brachte, um Hazels Abendessen zu besorgen.
Wetzon verließ Patek’s schwer bepackt mit einer großen Einkaufstüte und ihrer Tasche. Die Bürgersteige waren mit Sand und Salz gestreut, aber wegen der rutschigen Stellen war das Gehen trotzdem schwierig. Der Schnee lag in schmutzigen gefrorenen Haufen in den Rinnsteinen.
Die Quecksilberdampflampen warfen unheimliche
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