Ruhe Sanft
sichtlich ihren Spaß hatten. Sie betrachtete sie im Vorbeigehen. Der eine junge Mann war groß, dunkel und attraktiv, falls man den Typ mochte. Sehr schick angezogen, dunkelblauer Nadelstreifen, gestärktes weißes Hemd und breiter gelber Schlips. Ein Sexprotz. Der andere junge Mann sah wie ein Boxer aus, groß und breitbrüstig, mit frischer Gesichtsfarbe, kleinen blaßblauen Augen, krausem blondem Haar, einem rübenförmigen Gesicht mit hohen Backenknochen und spitz zulaufendem Kinn. Sein Nadelstreifenanzug war hellgrau, und die breite Krawatte war blau mit weißen Tupfen. Eine Idee zu nahe am Broadway. Die drei jungen Frauen saßen auf Barhockern und lachten laut zu allem, was der gutaussehende Mann sagte, während sie von einem Teller wabbelige rote italienische Vorspeisen aßen.
Wetzon schloß im Geist eine Wette mit sich ab, daß der Sexprotz Kevin De Haven war, machte aber noch eine Runde um die Bar.
Im Speisebereich links von ihr war es noch ganz still, aber die mit Leinen gedeckten Tische waren bereit für die Essensgäste — Touristen und Einheimische aus den Firmen der Umgebung. Es gab wenigstens fünf Maklerfirmen mit Zweigstellen im PanAm-Gebäude. Und die Grand Central Station, die mit dem PanAm-Gebäude zusammengebaut war, war der größte Umsteigebahnhof für Pendler in New York.
Sie wanderte noch einmal am >U< entlang und bemerkte, daß der ältere Mann Gesellschaft von einem kleinen, untersetzten Mann mit beginnender Glatze bekommen hatte. Beide beobachteten sie bei ihrer Runde und drehten sich auffällig auf ihren Hockern um. Verpißt euch, dachte sie, während sie ihren Mantel aufknöpfte. Es war warm.
Als sie dieses Mal an den zwei Männern und drei Frauen vorbeikam, blieb sie vor dem attraktiven jungen Mann stehen. Die Mädchen hörten auf zu lachen. Eine schnickte ihr langes dunkles Haar mit einem schlanken Finger mit knallrotem Nagel über die Schulter.
»Kevin«, sagte Wetzon.
»Ich sagte Ihnen, Sie würden keine Mühe haben, mich zu finden.« Er hatte das ungezwungene Lächeln und glatte Benehmen eines Mannes, der im Verkauf ebenso erfolgreich ist wie bei Frauen. »Kommen Sie, setzen Sie sich. Was trinken Sie?« Er hatte ein halbvolles Bierglas in der Hand.
»Heineken. Wollen wir uns nicht lieber an einen Tisch setzen?« Sie zeigte auf die kleinen Tische rechts von der Bar. Die Frauen beobachteten sie, ordneten sie als Rivalin ein.
»Ach, bleiben wir doch hier. Ein Heineken für die Dame und noch eins für mich«, rief Kevin dem Barkeeper zu. Er gab den jungen Frauen einen Wink. »Macht Platz, Mädchen. Wir haben jetzt ernsthafte geschäftliche Dinge zu bereden.« Die Frauen nahmen ihre Drinks, rutschten von den Hockern und stellten sich zu dem jungen Mann mit der gesunden Gesichtsfarbe.
»Das ist mein Kumpel Joey«, sagte De Haven. Er winkte Joey. »Komm mal rüber und laß dich Wetzon vorstellen.«
Der breitbrüstige junge Mann trat näher und schüttelte Wetzons Hand. »Joey Mancuso, Wetzon. Wir haben uns schon gesprochen.«
Sie erinnerte sich an das kurze Gespräch mit ihm. Es war vor etwa zwei Monaten gewesen. Er war ein Aufschneider, hielt sich für furchtbar wichtig, gab damit an, wieviel Geld er verdiente. »Ich erinnere mich. Wir sollten bald wieder einmal miteinander reden.«
»Ich bin noch nicht bereit, mich zu verändern, aber rufen Sie bitte an.« Er war freundlich, nicht so angeberisch wie am Telefon. Aber sie wußte, daß das nichts zu sagen hatte. Makler offenbarten sich ihr oft, als sei sie Psychiater, entweder am Telefon, das ihre Couch war, oder bei einem Gespräch unter vier Augen. Sie wußten, daß sie ihr vertrauen konnten.
Joey Mancuso nahm die Mädchen ein wenig beiseite, und De Haven setzte sich neben Wetzon. Der Barkeeper goß aus der grünen Heinekenflasche Bier in ihr Glas und stellte die Flasche daneben. Er gab De Haven ein Bier vom Faß.
»Halten Sie sich Joey warm, Wetzon. Er ist mein bester Freund, und er ist ein guter Mann.«
Wetzon fiel ein, wie der Makler, der Joey ursprünglich empfohlen hatte, ihn beschrieben hatte: »Eine Zeitbombe, die darauf wartet, zu explodieren.«
»Sprechen wir von Ihnen, Kevin. Wie sind Sie in das Geschäft eingestiegen?« Die Bar war laut und zu voll, und sie würde sich auf seine Antworten konzentrieren müssen, weil sie nicht vor aller Augen Notizen machen wollte.
»Hm, warten Sie, während ich am Seton Hall war, bekam ich einen Assistentenjob als Wertpapierhändler bei Jersey Coast Securities. Es ist ein
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