Ruhe Sanft
Spiegel und tuschte die Wimpern. »Glaubst du, ich bin in jeden Mord in der Branche verwickelt?« Sie legte den Mascarapinsel in den Behälter.
»Na ja...«
»Gut, gib her. Schon möglich, daß ich den Knaben kannte. Schließlich kenne ich Tausende von Maklern...« Sie nahm ihm die Zeitung aus der Hand und las.
Börsenmakler in Brooklyn erschossen
Ein Makler bei der Wall-Street-Firma L. L. Rosenkind wurde gestern nacht in einem Auto in Brighton Beach, Brooklyn, nach Unterweltmanier erschossen, wie die Polizei meldete. Der Börsenmakler Peter Tormenkov, 51 Jahre alt, erhielt vier Schüsse in den Oberkörper. Die Polizei fand ihn mit dem Gesicht nach unten auf dem Fahrersitz des Autos.
Silvestri ging wieder zum Telefon, nachdem Wetzon ihm alles berichtet hatte, was sie von Peter Tormenkov wußte. Dieses Mal legte sie Wert darauf, ihm zu sagen, daß Tormenkov auch der Nachname der verschwundenen Ida war.
Wenn es vorher einen Riß zwischen ihnen gegeben hatte, so war jetzt ein tiefer Graben daraus geworden. Sie spürte, wie er sich in ein geschäftsmäßiges Verhalten zurückzog, sich von ihr entfernte. Sie glättete das weiße Laken, zog das passende Bettuch gerade und deckte es mit der Steppdecke zu. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Warum konnte er nicht verstehen, daß sie praktisch die Kontrolle über ihre ureigenen Angelegenheit aufgegeben hätte, wenn sie alles von Anfang an erzählt hätte? Sie war nicht bereit, das zu tun. Vielleicht würde sie nie dazu bereit sein. Außerdem hatte er so herumgenörgelt, als sie ihm zum erstenmal von Peepsie und dem blauen Gucci-Schuh erzählt hatte. Sie schüttelte die Kissen mit mehr Energie als nötig auf.
Im Büro wartete Arbeit auf sie. Für Kevin De Haven mußte sie die Gesprächstermine festmachen. Sie wollte sich nach Hazel erkundigen... Sie mußte ihr Leben weiterführen.
Und was ist mit Teddy Lanzman? flüsterte eine schwache Stimme.
»Ich weiß nicht«, antwortete sie. Sie saß mit den Stiefeln in der Hand auf der Bettkante.
»Was weißt du nicht?« Silvestris Stimme klang teilnahmslos. Er lehnte am Türrahmen und betrachtete ihre Beine in der hauchdünnen schwarzen Strumpfhose, während sie die Stiefel anzog.
»Teddy.« Sie stand mit klopfendem Herzen auf, bückte sich, um die Stiefel geradezuziehen, spürte diese verflixte magnetische Anziehung, die ganz bestimmt auch er spüren mußte.
»Falls du in dein Büro willst, setze ich dich dort ab. Ich fahre auch runter.«
»Okay.« Sie hätte ihn gern gefragt: Wohin gehst du? Warum? Hat es etwas mit dem zu tun, was ich dir gerade erzählt habe? Aber sie fragte nicht. Sie huschte an ihm vorbei, versuchte, genauso unbeteiligt zu wirken, wie er zu sein schien.
Methodisch sah sie nach, ob die Gashähne in der Küche auf >Aus< standen, stellte die Becher und die Kaffeekanne in die Spülmaschine. Silvestri in seiner roten Daunenjacke sah ihr zu, wie sie die zwei Zeitungen in ihre Tasche steckte und die Schranktür öffnete.
»Mein Mantel...« Der Raum schwankte, und sie hielt sich am Türgriff fest. Die Polizei hatte ihren schönen schwarzen Alpakamantel genommen... getränkt mit Teddys Blut und...
»Du wartest besser nicht darauf. Kauf dir einfach einen neuen.« Silvestris Stimme war schroff und unpersönlich.
Kauf dir einen neuen, dachte sie. Einfach so.
Sie nahm ihren neuen Burberry mit dem karierten Wollfutter aus dem Schrank und zog ihn an. Sie schlang den langen Kaschmirschal, der zum Futter paßte, um den Kragen, drückte die lavendelfarbene Baskenmütze auf den Haarknoten und zog sie über die Ohren. Ein schneller Blick in den Spiegel an der Innentür des Schranks zeigte ihr, daß sie sich trotz der dunklen Ringe unter den Augen sehen lassen konnte.
Sie redeten kein Wort miteinander, bis Silvestri seinen Wagen in der zweiten Reihe vor ihrem Büro geparkt hatte. Er wandte sich ihr zu, den Arm auf der Rückenlehne. Nahe, aber ohne sie zu berühren. »Ich möchte diesmal dein Wort, daß du nichts im Zusammenhang mit dem Mord an Teddy Lanzman unternimmst, daß du den Fall uns überläßt.« Er drückte sich seltsam förmlich aus.
Sie sah in seine schiefergrauen Augen und wünschte, sie hätte es nicht getan. »Ich verspreche es.« Sie hörte kaum die eigene Stimme. »Aber was ist, wenn...«
»Kein >was ist, wenn<, Les.« Silvestri schlug mit der flachen Hand auf die Rückenlehne. »Wenn du irgend etwas hörst, was auch nur im geringsten verdächtig klingt, rufst du mich oder Metzger an,
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