Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
begangen, hat er sich doch nie ganz überzeugen lassen. Wir erreichten mit u n serem unermüdlichen Reden nur, dass er wenigstens z u gab, ›er könne sich nicht genau an den Hergang der Tat selbst‹ erinnern.« Dr. Penrose blätterte in Papieren, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Im Übrigen schi l derte er den Abend unveränderlich mit denselben Wo r ten. Er kam ins Haus, sagte er, und es war dunkel. Das Personal hatte Ausgang. Er ging wie gewohnt zuerst ins Esszimmer, um sich einen Drink zu genehmigen, und von dort durch die Verbindungstür in den Salon. Von diesem Moment an erinnerte er sich an nichts, absolut nichts, bis er im Schlafzimmer auf die Leiche seiner Frau niederblickte. Sie war erwürgt worden, und er wusste, dass er es getan hatte.«
    »Entschuldigung, Dr. Penrose«, unterbrach Giles, »wi e so konnte er das so genau wissen, wenn sein Gedächtnis in den entscheidenden Minuten ausgesetzt hat?«
    »Für ihn bestand nicht der geringste Zweifel. Schon seit einigen Monaten hatte er die wildesten und melodram a tischsten Verdächtigungen gegen seine Frau gehegt. Zum Beispiel argwöhnte er, sie verabreiche ihm Drogen. Er hatte ja in Indien gelebt, und Fälle von Ehefrauen, die ihre Männer mit dem Gift des Stechapfels langsam zum Wahnsinn treiben, werden dort oft vor Gericht verha n delt. Er litt ziemlich häufig an Halluzinationen, bei denen er Zeit und Ort verwechselte. Er bestritt zwar nachdrüc k lich, dass er seine Frau der Untreue verdächtigte, aber ich glaube dennoch, dies war die Triebfeder seines Handelns. Tatsächlich schien er an jenem Abend nachhause g e kommen zu sein und den Abschiedsbrief seiner Frau g e funden zu haben. Um sich mit der Wahrheit nicht abfi n den zu müssen, zog er es vor, sie zu ›ermorden‹. Daher seine Halluzination.«
    »Beweist dies nicht, dass er sehr an ihr hing?«, fragte Gwenda.
    »Offensichtlich, Mrs Reed.«
    »Und er begriff nie, dass er sich – in eine Halluzination geflüchtet hatte?«
    »Er räumte ein – wenigstens nach außen hin –, dass es wohl so sein musste, aber im tiefsten Innern blieb er u n erschütterlich bei seinem Glauben. Die Wahnvorstellung war zu stark, um der Vernunft zu weichen. Wäre es uns gelungen, sein verdrängtes frühkindliches Trauma aufz u decken…«
    Gwenda unterbrach ihn.
    »Aber, Dr. Penrose, Sie sind doch sicher, dass er den Mord nicht begangen hat?«
    »Oh, wenn das Ihre einzige Sorge ist, Mrs Reed, können Sie sie sich getrost aus dem Kopf schlagen. Kelvin Hall i day, mag er auch noch so eifersüchtig auf seine Frau g e wesen sein, war mit Sicherheit kein Mörder.«
    Er hüstelte und zog unter den losen Papieren ein sch ä biges schwarzes Oktavheft hervor.
    »Wenn Sie dies haben möchten, Mrs Reed, so ist es bei Ihnen in den richtigen Händen. Es enthält flüchtig hi n geworfene Notizen Ihres Vaters aus der Zeit seines Au f enthaltes bei uns. Als wir seinen Nachlass ordneten, um ihn dem Testamentsvollstrecker zu übergeben, behielt der damalige Anstaltsleiter, Dr. McGuire, dieses Heft als Teil der Krankengeschichte zurück. Er hat den Fall Ihres V a ters nämlich in einem wissenschaftlichen Werk mitverö f fentlicht, natürlich nicht unter vollem Namen, sondern nur als ›Patient K. H‹. Wenn Sie es haben möchten…«
    Gwenda griff begierig nach dem Heft.
    »Vielen Dank, Dr. Penrose. Natürlich lege ich großen Wert darauf.«
     
    Bei der Rückfahrt im Zug nach London holte Gwenda sofort das Heft hervor und begann zu lesen. Da, wo sie es aufs Geratewohl geöffnet hatte, stand:
     
    »Angeblich verstehen diese Seelenärzte ja was von ihrem Han d werk. Ich kann mit dem hochgestochenen Blödsinn nichts anfa n gen. Ob ich meine Mutter geliebt habe? Ob ich meinen Vater g e hasst habe? Ich glaube kein Wort davon ! Ich gehöre vor Gericht und nicht in die Klapsmühle. Und doch, manche meiner Hausg e nossen wirken so natürlich, so vernünftig wie jeder andere – außer wenn sie einen Anfall kriegen. Dann frage ich mich, ob bei mir nicht auch eine Schraube locker ist…
    Ich habe James geschrieben. Ihn dringend gebeten, mit Helen Verbindung aufzunehmen und sie zum Herkommen zu bewegen, nur damit ich mit eigenen Augen sehe, dass sie noch lebt. Er b e hauptet, er wüsste nicht, wo sie ist, das tut er nur, weil er weiß, dass ich sie ermordet habe. Er ist ein guter Kamerad. Aber ich lasse mich nicht täuschen – Helen ist tot…
    Wann habe ich zuerst Verdacht geschöpft? Es ist schon lange her. Eigentlich gleich nach

Weitere Kostenlose Bücher