Ruhe unsanft
erinnern. Nein, ich habe das Gefühl, dass nur Lily uns nützen könnte, weil sie i m mer so scharf aufpasste. Weißt du was, Giles? Wir setzen noch ein Inserat in die Zeitung, diesmal direkt auf sie bezogen. Ihr Mädchenname war Lily Abbott.«
»Wir wollen es versuchen«, sagte Giles. »Und morgen fahren wir nach Northumberland und stellen fest, was es mit diesen Erskines für eine Bewandtnis hat.«
16
» S ei schön brav, Henry!«, befahl Mrs Fane einem asthmatischen Spaniel, dessen feuchte Augen vor Gier glänzten. »Noch einen kleinen Teekuchen, Miss Marple, solange sie warm sind?«
»Vielen Dank. Sie sind vorzüglich. Ihre Köchin muss ein Juwel sein.«
»Nun ja, sie ist ganz leidlich. Vergesslich – aber das sind sie alle –, und ihre Puddings sind ewig die gleichen. Doch erzählen Sie: Was macht Dorothys Ischias? Ein Martyr i um für sie. Vor allem die Nerven, glaube ich.«
Miss Marple beeilte sich, die Leiden ihrer gemeinsamen Bekannten genau zu schildern. Ein Glück, dass sie unter den zahlreichen Bekannten und Verwandten, die sie in ganz England verstreut besaß, auf diese Person gestoßen war, die ihrerseits an Mrs Fane geschrieben und ihr Miss Marple warm empfohlen hatte. So war es zu der Einl a dung zum Tee gekommen.
Eleanor Fane war eine große, gebieterisch wirkende Frau mit stahlgrauen Augen, drahtigem weißem Haar und einer rosigen Babyhaut, die die Tatsache verbarg, dass sie nichts Weiches und Harmloses an sich hatte.
Von Dorothy Yardes echten oder eingebildeten B e schwerden kam das Gespräch auf Miss Marples Gesun d heit, die gute Luft von Dillmouth und die allgemeine traurige Verfassung der jüngeren Generation.
»Weil sie als Kinder nicht gelernt haben zu essen, was auf den Tisch kam«, erklärte Mrs Fane mit Überzeugung. »Bei mir gab’s das nicht. In meinem Haus wurden keine Extrawürste gebraten.«
»Wie viele Kinder haben Sie?«
»Drei Söhne. Der älteste, Gerald, ist in Singapore bei der Far East Bank. Robert ist Offizier.« Mrs Fane stieß abfällig die Luft durch die Nase. »Mit einer römisch-katholischen Frau verheiratet«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu. »Sie können sich vorstellen, was das heißt! Alle Kinder werden katholisch erzogen. Ich möchte nicht wissen, was mein Mann dazu gesagt hätte – er war ein sehr strenges Mitglied unserer Kirche. Robert lässt kaum noch von sich hören; er hat mir einiges übel genommen, was ich nur zu seinem Guten gesagt habe. Ich bin für Ehrlichkeit und sage grundsätzlich, was ich denke. Und seine Heirat war meiner Meinung nach ein absoluter Missgriff. Mag er jetzt auch so tun, als wäre er glücklich, der Ärmste – ich weiß, dass er nur den Schein wahren will.«
»Ihr jüngster Sohn ist noch Junggeselle, glaube ich?«, fragte Miss Marple.
»Ja.« Mrs Fane strahlte. »Walter lebt bei mir. Er ist e t was zart, war es von Kind an, und ich habe immer sehr auf seine Gesundheit achten müssen. Übrigens muss er bald aus dem Büro kommen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie liebevoll und aufmerksam er ist. Ich preise mich glücklich, einen solchen Sohn zu haben.«
»Hat er nie ans Heiraten gedacht?«, forschte Miss Mar p le.
»Walter sagt immer, er hat nichts für die modernen ju n gen Dinger übrig. Sie gefallen ihm nicht. Er und ich h a ben soviel Gemeinsames, dass ich manchmal fürchte, er kommt nicht genug unter die Leute. Er liest mir lieber abends vor – im Moment sind wir wieder bei Thackeray –, oder wir spielen eine Partie Karten. Walter ist ein richt i ger Stubenhocker.«
»Wie schön für Sie«, sagte Miss Marple. »War er immer Rechtsanwalt? Irgendjemand hat mir erzählt, einer Ihrer Söhne war Teepflanzer auf Ceylon, aber vielleicht war das ein Missverständnis.«
Mrs Fanes Gesicht hatte sich leicht verdüstert. Sie bot Miss Marple Nusskuchen an, bevor sie antwortete:
»Damals war Walter noch sehr jung und hatte, wie alle Jungen, solche unreifen Ideen – er wollte etwas von der Welt sehen. In Wirklichkeit war ein Mädchen daran schuld. Mädchen können viel Verwirrung stiften…«
»Da sprechen Sie gewiss ein wahres Wort aus. Mein e i gener Neffe…«
Aber Mrs Fane interessierte sich nicht für Miss Marples Neffen. Sie war jetzt am Zug und nutzte die Gelegenheit, sich dieser verständnisvollen Freundin der lieben Dor o thy zu eröffnen.
»Ein völlig unmögliches Geschöpf, wie meistens in so l chen Fällen. Oh, nicht etwa eine Schauspielerin oder so etwas Ähnliches, sondern die Schwester eines
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