Ruhe unsanft
Es war wieder Sommer, die Te r rassentür zum Garten stand offen, Rosenduft, Voge l stimmen und Grillengezirp drangen herein.
»Dieses Haus ist ziemlich alt, nicht wahr?«, fragte sie.
Erskine nickte. »Aus der Zeit der Queen Anne. Meine Vorfahren haben seit fast drei Jahrhunderten hier gelebt.«
»Wie schön! Darauf können Sie wirklich stolz sein.«
»Nun, stolz… Es ist ein etwas schäbig gewordener Glanz. Die Steuern machen es fast unmöglich, solche Häuser noch zu unterhalten. Jetzt, da die Kinder flügge sind, kommt es nicht mehr so darauf an.«
»Wie viele Kinder haben Sie?«
»Zwei Jungen. Einer ist in der Armee, der andere hat gerade sein Studium in Oxford beendet. Er will in einen Verlag.« Gwendas Augen folgten seinem Blick zum K a min. Auf dem Sims stand das Foto von zwei jungen Männern. Allem Anschein nach war es schon vor mehr e ren Jahren aufgenommen worden. Erskine betrachtete seine Söhne mit deutlicher Zuneigung.
»Einer so wohl geraten wie der andere«, bemerkte er.
»Sie sehen sehr nett aus«, bestätigte Gwenda.
»Ja, ich glaube, das ist es wert. Ich meine, für seine Ki n der Opfer zu bringen«, ergänzte Erskine als Antwort auf Gwendas fragenden Blick.
»Vermutlich muss man da manchmal auf eine Menge verzichten.«
»Manchmal auf sehr viel…«
Wieder glaubte sie, einen schwermütigen Unterton he r auszuhören, aber da mischte sich seine Frau mit ihrer tiefen, energischen Stimme ein:
»Ich bezweifle, dass Sie hier am Ende der Welt etwas Passendes finden werden. Ich wüsste jedenfalls kein Haus.«
Und du würdest es mir sowieso nicht sagen, dachte Gwenda. Bei deiner Eifersucht. Ja, tatsächlich, die ve r rückte Alte ist eifersüchtig, nur weil ich mit ihrem Mann rede und jung und hübsch bin!
»Es hängt auch davon ab, wie eilig Sie es haben«, mei n te Erskine.
»Eilig haben wir es gar nicht«, erwiderte Giles fröhlich. »Es kommt uns darauf an, etwas zu finden, wo wir uns auf die Dauer wohlfühlen. Für den Übergang wohnen wir in Dillmouth – das ist ein kleiner Badeort an der Südkü s te.«
Major Erskine stand auf, um eine Zigarettendose von einem Tisch am Fenster zu holen.
»Dillmouth«, wiederholte Mrs Erskine ausdruckslos und starrte auf den Rücken ihres Mannes.
»Hübscher Ort«, sagte Giles. »Kennen Sie ihn zufällig?«
Einen Moment herrschte Stille. Dann antwortete Mrs Erskine ebenso ausdruckslos: »Wir waren mal ein paar Wochen zur Sommerfrische dort, aber das ist lange, lange her. Das Klima sagte uns nicht besonders zu. Wir fanden es zu mild.«
»Ja, das ist auch der Grund, warum wir dort nicht ble i ben wollen«, log Gwenda. »Wir sind herbere Luft g e wöhnt.«
Erskine kam mit den Zigaretten zum Tisch zurück und bot sie zuerst Gwenda an.
»Herb genug wäre es hier«, sagte er mit einer Art leisem Grimm, während er ihr Feuer gab. Sie sah ihn über die Zigarette hinweg an und fragte wie nebenbei:
»Erinnern Sie sich noch gut an Dillmouth?«
Seine Lippen zuckten wie in plötzlichem Schmerz. Aber seine Stimme verriet nichts, als er erwiderte:
»O ja, ganz gut. Wir wohnten im – lassen Sie mich nachdenken – im ›Royal George‹, glaube ich. Nein, falsch, es hieß ›Royal Clarence‹.«
»Das ist ein nettes altmodisches Hotel. Wir wohnen ganz in der Nähe. Das Haus heißt ›Hillside‹, aber zu Ihrer Zeit hieß es anders, nach irgendeiner Heiligen. Welche war es noch, Giles?«
»Saint Catherine«, sagte Giles.
Diesmal war die Reaktion des Ehepaares unmissve r ständlich. Erskine wandte rasch den Blick ab. Mrs Ersk i nes Teelöffel klirrte auf die Untertasse.
»Interessant«, sagte sie abrupt. »Möchten Sie unseren Garten sehen?«
»Ach ja, gern!«
Sie traten durch die Terrassentür hinaus. Es war ein g e pflegter Garten mit langen Blumenbeeten und Plattenw e gen. Blumen waren Major Erskines Hobby, und während er seine Rosen vorführte und fachmännisch über Sta u dengewächse sprach, hellte sich seine traurige Miene wi e der auf. Man merkte, der Garten war seine ganze Freude.
Als Giles und Gwenda sich endlich verabschiedet ha t ten und mit dem Wagen abfuhren, fragte Giles zögernd:
»Hast du – hast du ihn fallen gelassen?«
Gwenda nickte, sah auf ihre Hand und drehte geiste s abwesend den Ehering an ihrem Finger.
»Ja, beim zweiten Rittersporn.«
»Wenn du ihn nun nicht wieder findest?«
»Es war natürlich nicht mein echter Verlobungsring. Das hätte ich nicht übers Herz gebracht.«
»Freut mich zu hören.«
»Was den Ring
Weitere Kostenlose Bücher