Ruhig Blut!
beginnen, waf auch immer daf fein mag.«
»Meistens geht’s dabei um Schaukeln und so«, sagte Nanny. Igors Miene erhellte sich. »Oh, ich habe jede Menge Feile und konnte immer gut Schlingen knüpfen«, erwiderte er.
»Ich glaube nicht, daß…«, begann Agnes, wurde jedoch sofort von Nanny unterbrochen.
»Ich schätze, es kommt ganz darauf an, wer den Spaß haben soll«, meinte sie. »Wir sehen uns bestimmt wieder, Igor. Laß dich auf keine Dinge ein, auf die ich mich nicht ebenfalls einlassen würde – falls es so etwas überhaupt gibt.«
»Das mit Fetzen tut uns sehr leid«, sagte Agnes. »Vielleicht finden wir einen anderen Hund für dich…«
»Daf ift fehr nett, aber nein, danke. Einen Hund wie Fetfen gibt ef nur einmal.«
Er winkte ihnen nach, bis der Karren hinter der nächsten Biegung verschwand.
Als sich Agnes wieder umdrehte, sah sie drei Elstern auf einem Ast über der Straße hocken.
»›Drei steht für Särge…‹«, begann sie.
Ein Stein sauste nach oben. Empörtes Quieken erklang, und Federn stoben davon.
»Zwei für Vergnügen«, sagte Nanny und klang sehr zufrieden. »Das war gemogelt, Nanny!«
»Hexen mogeln immer«, erwiderte Nanny Ogg. Sie drehte den Kopf
und sah zu der Schlafenden. »Das ist allgemein bekannt – zumindest bei den Leuten, die über Hexen Bescheid wissen.«
Sie kehrten nach Lancre zurück.
Es hatte wieder geregnet. Wasser tropfte in Himmelwärts’ Zelt und auch ins Harmonium – wenn er jetzt darauf spielte, ertönte ein Quaken, das von einem zerquetschten Frosch zu stammen schien. Außerdem rochen die Gesangsbücher ziemlich streng nach Katze.
Er gab sie auf und widmete sich dem Unterfangen, das Feldbett zu demontieren. Beim Aufbauen hatte es ihm die Haut von den Knöcheln geschabt und fast einen Finger zerquetscht; trotzdem sah es noch immer so aus, als wäre es für einen bananenförmigen Menschen bestimmt.
Hilbert Himmelwärts wußte, daß er versuchte, nicht nachzudenken. Im großen und ganzen war er zufrieden damit. Er empfand es als angenehm, sich auf einfache Aufgaben zu konzentrieren und dem eigenen Atem zu lauschen. Vielleicht gab es einen Weg…
Er blickte durch den Eingang des Zelts nach draußen.
Menschen näherten sich. Die ersten brachten lange Bretter mit, einige andere rollten Fässer. Mit offenem Mund beobachtete Himmelwärts, wie einfache Sitzbänke entstanden.
Immer mehr Leute trafen ein.
Ihm fiel auf, daß einige Männer Verbände um die Nasen trugen.
Dann hörte er das Klappern von Rädern und sah die königliche Kutsche durchs Tor rollen. Dieser Anblick befreite ihn von der Starre. Er eilte ins Zelt zurück, zog dort feuchte Sachen aus einem Beutel und suchte verzweifelt nach einem sauberen Hemd. Sein Hut war nie wiedergefunden worden, und Schlamm bildete dicke Krusten auf seinem Mantel. Das Leder der Schuhe hatte lange Risse, und die Schnallen waren in den Moorpfützen angelaufen. Aber es mußte doch noch irgendwo ein sauberes Hemd zu finden sein…
Jemand versuchte, an die nasse Zeltplane zu klopfen. Nach einer Pause von einer halben Sekunde kam die betreffende Person ins Zelt.
»Darf ich eintreten?« fragte Nanny Ogg und musterte den Priester von Kopf bis Fuß. »Da draußen warten alle auf dich. Verlorene Schafe, die geschoren werden möchten, könnte man sagen«, fügte sie hinzu. Gewisse Signale deuteten darauf hin, daß ihr derzeitiges Verhalten auf einem Kompromiß mit sich selbst basierte.
Himmelwärts drehte sich um.
»Frau Ogg, ich weiß, daß du mich nicht sehr magst…«
»Ich weiß nicht, warum ich dich überhaupt mögen sollte«, sagte Nanny. »Immerhin bist du Esme gefolgt, und sie mußte dir beim Weg über die Berge helfen.«
Die Antwort kreischte in Himmelwärts’ Hals, bevor er das wissende Funkeln in Nannys Augen sah. Es gelang ihm, die scharfen Worte in ein Hüsteln zu verwandeln.
»Äh… ja«, sagte er. »Ja. Dumm von mir, nicht wahr? Äh… wie viele
Personen haben sich dort draußen eingefunden, Frau Ogg?« »Oh, hundert, vielleicht auch hundertfünfzig.«
Hebel, dachte Himmelwärts und dachte kurz an die Bilder in Nannys
Wohnzimmer. Sie kontrolliert die Hebel vieler Leute. Aber ich wette, vorher hat jemand ihren Hebel umgelegt.
»Und was erwarten sie von mir?«
»Auf dem Plakat steht ›Abendgottesdienst‹«, sagte Nanny schlicht. »›Abendbier‹ wäre besser.«
Er ging nach draußen und sah im Licht des späten Nachmittags die Gesichter eines großen Teils der Bevölkerung von Lancre. König und
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