Ruhig Blut!
Agnes halfen beim Servieren.
»Möchte jemand ein Kannapp-He?« fragte Nanny und schob ihr Tablett in eine vielversprechend wirkende Gruppe.
»Wie bitte?« erwiderte ein Mann. »Oh, du meinst Kanapees…«
Er nahm eine Pastete, biß hinein und wandte sich wieder der Gruppe zu.
»… und dann sagte ich zu Seiner Exzellenz Meine Güte, was ist das denn ?«
Er drehte sich um und begegnete dem prüfenden Blick der verschrumpelten Alten mit dem schwarzen Hut.
»Verzeihung?« sagte sie.
»Dies… dies… dies ist zerstampfter Knoblauch!«
»Hast wohl was gegen Knoblauch, wie?«
»Ich liebe Knoblauch, aber er erwidert diese Liebe nicht! Dies hier
schmeckt nicht nur nach Knoblauch – es besteht aus nichts anderem als Knoblauch!«
Nanny starrte mit übertriebener Kurzsichtigkeit auf ihr Tablett.
»Nein, hier haben wir noch… Da ist ein bißchen… Du hast recht, vielleicht haben wir’s ein wenig übertrieben… Verflixt… Nun, ich gehe und… Ja, ich gehe und hole…«
Am Eingang der Küche kollidierte sie mit Agnes. Zwei Tabletts fielen zu Boden und verstreuten: Pasteten aus Knoblauch, Knoblauch-Dip, mit Knoblauch gestopften Knoblauch, kleine aufgespießte Würfel aus Knoblauch an Knoblauchknollen.
»Entweder gibt es hier viele Vampire, oder wir machen irgend etwas falsch«, sagte Agnes mit Nachdruck.
» Ich war immer der Meinung, daß man gar nicht genug Knoblauch essen kann«, behauptete Nanny.
»Niemand teilt deine Ansicht, Nanny.«
»Na schön. Was kommt sonst noch in Frage? Ich hab’s! Vampire tragen Abendkleidung, und das ist selbst bei unseren der Fall, am Abend jedenfalls.«
»Hier tragen alle Abendkleidung, Nanny – abgesehen von uns.« Nanny Ogg sah an sich hinab. »So bin ich abends immer angezogen.« »Vampire sollten in einem Spiegel eigentlich nicht zu sehen sein, oder?«
fragte Agnes.
Nanny schnippte mit den Fingern. »Gute Idee! Es gibt einen Spiegel auf der Toilette. Ich gehe dort auf Beobachtungsposten. Früher oder später taucht da jeder einmal auf.«
»Und wenn ein Mann hereinkommt?«
»Oh, das macht mir nichts aus«, sagte Nanny. »Davon lasse ich mich nicht in Verlegenheit bringen.«
»Jemand könnte Einwände erheben«, erwiderte Agnes und versuchte, ein ganz bestimmtes Vorstellungsbild aus ihren Gedanken zu verdrängen. Nannys Lächeln wirkte recht freundlich, aber es gab Gelegenheiten, bei denen man es lieber nicht sah.
»Es muß etwas geschehen. Angenommen, Oma träfe jetzt ein – was unternähme sie?«
»Wir könnten einfach fragen?« schlug Agnes vor.
»In der Art von ›Alle Vampire heben die Hand‹?«
»Verehrte Damen?«
Sie drehten sich um. Der junge Mann, der sich zuvor als Vlad vorgestellt hatte, trat auf sie zu.
Agnes spürte einmal mehr die Hitze der Verlegenheit.
»Ich glaube, ihr habt gerade über Vampire gesprochen«, sagte Vlad, nahm ein Knoblauchplätzchen von Agnes’ Tablett und biß mit offensichtlichem Genuß hinein. »Kann ich irgendwie behilflich sein?«
Nanny musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Weißt du etwas über Vampire?« fragte sie.
»Nun, ich bin einer«, entgegnete Vlad. »Die Antwort sollte also ›ja‹ lauten. Freut mich, dich kennenzulernen, Frau Ogg.« Er verbeugte sich und griff nach ihrer Hand.
»O nein, kommt nicht in Frage!« Nanny zog die Hand rasch zurück. »Ich halte nichts von Blutsaugern!«
»Ich weiß. Aber vielleicht änderst du deine Meinung bald. Möchtest du mitkommen und meine Familie kennenlernen?«
»Sie kann mir gestohlen bleiben! Was hat sich der König nur dabei gedacht?«
»Nanny!«
»Was ist?«
»Schrei nicht so. Es ist… unhöflich. Ich glaube nicht, daß…« »Vlad de Elstyr«, sagte Vlad und verbeugte sich erneut.
»Er will mir in den Hals beißen!« entfuhr es Nanny.
»Nein, natürlich nicht«, widersprach Vlad. »Früher am Abend haben
wir uns einen Straßenräuber genehmigt. Wie dem auch sei: Ich schätze, Frau Ogg wäre eine sehr interessante Mahlzeit. Sind noch mehr von den Knoblauchplätzchen da? Sie schmecken köstlich.«
»Ihr habt was?« fragte Nanny.
»Ihr habt jemanden… getötet?« brachte Agnes hervor.
»Natürlich«, sagte Vlad. »Wir sind Vampire. Beziehungsweise Vampyre. Mit einem Y. Das ist moderner. Und jetzt möchte ich euch meinen Vater vorstellen.«
»Ihr habt wirklich jemanden getötet ?« fragte Agnes.
»So, jetzt reicht’s!« fauchte Nanny. »Ich gebe Shawn Bescheid, und er wird einen spitzen Pflock holen…«
Vlad hüstelte. Nanny hielt inne.
»Es gibt noch einige andere Dinge,
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