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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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in die Augen. Und halt den Rücken gerade und geh richtig!« rief Vlad ihm nach. »Dein Humpeln beeindruckt niemanden!«
    Agnes beobachtete, wie der vornübergebeugt schlurfende Diener zögerte, und sie rechnete mit einer Antwort. Doch dann hinkte er einfach weiter.
    »Er ist wie ein kleines Kind«, sagte Vlad und schüttelte den Kopf. »Ich bedauere, daß du das mit ansehen mußtest.«
»Ja, ich glaube, ich bedauere es ebenfalls«, erwiderte Agnes.
    »Wir werden ihn durch jemand anderen ersetzen. Vater behält ihn nur aus reiner Anteilnahme. Wir haben ihn mit dem alten Schloß übernommen, zusammen mit einem knarrenden Dach und einem seltsamen Geruch auf halbem Wege die Haupttreppe empor. Ich muß allerdings hinzufügen, daß er nicht so schlimm ist wie der, dem wir hier begegnet sind. Meine Güte… Sieh nur. Wir passen fünf Minuten lang nicht auf, und schon ist es passiert…«
    Eine große und stark tropfende Kerze brannte in einem hohen schwarzen Kerzenhalter.
    »König Verence ließ überall Öllampen aufstellen, die für gutes, modernes Licht sorgen, und Igor hat sie durch Kerzen ersetzt! Wir wissen nicht einmal, wo er sie auftreibt. Lacci glaubt, daß er sie aus seinem Ohrenschmalz anfertigt…«
    Sie erreichten den langen Raum neben dem Großen Saal. Vlad hob den Kerzenständer, und das Licht der Flamme glitt über die Wand. »Ah, die Bilder sind bereits aufgehängt. Hier hast du Gelegenheit, die Familie kennenzulernen…«
    Im Schein der Kerze sah Agnes das Porträt eines hochgewachsenen, hageren, grauhaarigen Mannes, der einen Abendanzug sowie einen Mantel mit rotem Futter trug. Er wirkte sehr distinguiert, auf eine reservierte, unnahbare Art. An der Unterlippe deutete sich ein ungewöhnlich langer Eckzahn an.
»Mein Großonkel«, sagte Vlad. »Der letzte… Amtsinhaber.«
    »Was hat es mit seiner Schärpe und dem Stern auf sich?« fragte Agnes. Sie hörte die Geräusche der »wütenden Menge« – sie kamen aus der Ferne, wurden aber lauter.
    »Das sind Zeichen für den Orden von Gvot. Er hat das Schloß unserer Familie erbaut. Wir nennen es Bleibtdemschloßfern. Hast du davon gehört?«
    »Ein sonderbarer Name.«
»Oh, er lachte immer darüber. Die einheimischen Kutscher warnten
    Reisende immer mit dem Hinweis: ›Bleibt dem Schloß fern.‹ Manchmal fügten sie hinzu: ›Selbst wenn es bedeutet, die Nacht in einem Baum zu verbringen – bleibt dem Schloß fern.‹ Mein Großonkel meinte immer, das sei großartige Publicity. Manchmal waren schon um neun Uhr abends alle Schlafzimmer belegt, und weitere Leute hämmerten an die Tür. Reisende machten meilenweite Umwege, um mehr über das Schloß zu erfahren, dem man unbedingt fernbleiben sollte. Jemanden wie meinen Großonkel gibt es nicht noch einmal, mit etwas Glück. Er ging sehr auf die Vorstellungen der Leute ein. Er kehrte so oft aus dem Grab zurück, daß er seinen Sarg mit einem drehbaren Deckel ausstatten ließ. Ah… Tante Carmilla…«
    Agnes sah eine sehr ernste Frau in einem figurbetonten schwarzen Kleid und mit pflaumenfarbenem Lippenstift.
    »Sie soll im Blut von bis zu zweihundert Jungfrauen gebadet haben«, sagte Vlad. »Ich glaube nicht daran. Wenn man mehr als achtzig Jungfrauen benutzt, läuft selbst eine sehr große Badewanne über. Das weiß ich von Lacrimosa.«
    »Diese kleinen Details sind sehr wichtig«, erwiderte Agnes, die eine Mischung aus Aufregung und Entsetzen empfand. »Und natürlich ist es immer sehr schwer, die Seife zu finden.«
    »Sie wurde von einer wütenden Menge umgebracht.«
»Die Leute können ja so undankbar sein.«
    »Und dies… « Das Kerzenlicht glitt weiter über die Wand. »… ist mein Großvater…«
    Eine Glatze. Von dunklen Ringen umgebene, durchdringend blickende Augen. Zwei Zähne wie Nadeln, zwei Ohren wie Fledermausflügel. Fingernägel, die seit Jahren nicht geschnitten worden waren…
    »Aber die Hälfte des Bildes besteht nur aus leerer Leinwand«, stellte Agnes fest.
    »In der Familie erzählt man sich, daß der alte Magyrato hungrig wurde«, erklärte Vlad. »Mein Großvater ging immer auf sehr direkte Weise an die Dinge heran. Siehst du die rotbraunen Flecken hier? Ganz im alten Stil. Und hier… nun, ein entfernter Verwandter. Mehr weiß ich nicht.«
    Das Bild war so dunkel, daß Agnes kaum Einzelheiten erkennen konnte. Etwas deutete auf einen Schnabel und eine geduckte Gestalt hin. Vlad wandte sich rasch ab. »Wir haben einen langen Weg hinter uns«, sagte er. »Mein Vater spricht in diesem

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