Ruhig Blut!
keineswegs sicher, an was er glaubte. Zum Teil wegen der häufigen Kirchenspaltungen, die bewirkten, daß sich der ganze Lehrplan im Lauf eines Nachmittags änderte. Und außerdem…
Man hatte ihn davor gewarnt. Rechne nicht damit, hatte es geheißen. So etwas geschieht nur bei den Propheten.
Om manifestiert sich nicht auf diese Weise. Om kommt von innen.
Trotzdem hatte Hilbert Himmelwärts gehofft, Om würde sich einmal auf eine unmißverständliche Weise zeigen, die nicht auf Wind oder ein schlechtes Gewissen zurückgeführt werden konnte. Er wünschte sich nichts mehr, als daß für zehn Sekunden eine Lücke zwischen den Wolken entstand und eine unüberhörbare Stimme proklamierte: »JA, HLLBERT GELOBT-SIND-JENE-DIE-OM-VEREHREN HIMMELWÄRTS! ES IST ALLES VOLLKOMMEN WAHR! DA FÄLLT MIR EIN: DU HAST DA EINEN INTERESSANTEN ARTIKEL ÜBER DIE RELIGIONSKRISE IN EINER PLURALISTISCHEN GESELLSCHAFT GESCHRIEBEN!«
Es fehlte ihm keineswegs an Glauben. Doch der Glaube genügte nicht. Er sehnte sich auch nach Wissen.
Derzeit hätte er sich mit einem zuverlässigen Handbuch über die Beseitigung von Vampiren begnügt.
Er stand auf, und hinter ihm klappte das gräßliche Feldbett zusammen.
Er hatte Wissen gefunden, doch dieses Wissen reichte nicht aus.
Hatte nicht Jotto den Leviathan des Schreckens dazu gebracht, sich an Land zu werfen, woraufhin sich das Meer blutrot färbte? Hatte nicht Orda, stark im Glauben, in der Region Smale eine Hungersnot verursacht?
Natürlich entsprach das der Wahrheit. Himmelwärts glaubte fest daran. Aber ein Teil von ihm konnte nicht vergessen, von kleinen Geschöpfen gelesen zu haben, die an der Küste von Urt eine ungewöhnliche rote Flut bewirkten, was seltsame Auswirkungen auf die übrigen Lebensformen im betroffenen Meeresbereich haben konnte. Und sonderbare Windzyklen hielten manchmal jahrelang Regenwolken von Smale fern.
Solche Informationen waren… beunruhigend.
Himmelwärts kannte sich gut mit den alten Sprachen aus, und deshalb hatte man ihm erlaubt, in den neuen Bibliotheken zu studieren, die unweit der Zitadelle entstanden. Dadurch wuchs seine Besorgnis, denn der Wahrheitssucher fand tatsächlich Wahrheit. Zum Beispiel die Dritte Reise des Propheten Cena – dies schien fast eine Neuübersetzung des SandTestaments aus dem Laotanischen Buch des Ganzen zu sein. Allein in einem Regal hatte er dreiundvierzig verschiedene Berichte über eine große Flut gefunden, und in jedem einzelnen rettete ein Mann, der an Bischof Horn erinnerte, die Menschheit durch den Bau eines magischen Schiffes. Die Einzelheiten variierten natürlich. Manchmal bestand das Schiff aus Holz, manchmal aus Bananenschalen. In einer Schrift brachte ein Schwan die Kunde vom trockenen Land, in einer anderen ein Leguan. Diese Geschichten in den Chroniken anderer Religionen waren natürlich nichts weiter als Legenden und Mythen, während die im Buch Cena geschilderte Reise heiliger Wahrheit entsprach. Aber trotzdem…
Er hatte die Ausbildung zum Priester fortgesetzt, wurde vom Unteren Unterunterdekan zum Unterunterdekan, doch die Sorge begleitete ihn. Oft verspürte er den Wunsch, über seine Entdeckungen mit jemandem zu reden, aber es fanden so viele Grabenkämpfe statt, daß niemand lange genug stehenbleiben wollte, um ihm zuzuhören. Dauernd nagelten Priester ihre Versionen der Wahrheit von Om an die Tempeltüren und veranstalteten damit einen schier ohrenbetäubenden Lärm. Für kurze Zeit hatte Himmelwärts sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Rolle Papier sowie einen Hammer zu kaufen und seinen Namen der Warteliste für die Tempeltüren hinzuzufügen, doch schließlich entschied er sich dagegen.
Der letztendliche Grund dafür hieß Unentschlossenheit, wußte er. Innerlich war und blieb er ständig hin und her gerissen.
Einmal hatte er sogar die Möglichkeit erwogen, darum zu bitten, exorziert zu werden. Doch diese Idee erschien ihm nicht besonders gut, denn die Kirche neigte traditionell dazu, recht fatale Methoden anzuwenden. Und ernste Männer, die nur selten lächelten, fanden es bestimmt nicht amüsant zu erfahren, daß der zu vertreibende Geist sein eigener war.
Er bezeichnete die inneren Stimmen als den Guten Himmelwärts und den Bösen Himmelwärts. Das Problem war nur, daß beide die Terminologie begrüßten, jedoch unterschiedlich gebrauchten.
Selbst als er noch klein gewesen war, hatte ein Teil von ihm den Tempel für langweilig gehalten und versucht, ihn zum Lachen zu bringen, wenn er Predigten
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