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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Doch Agnes’ Stimmumfang konnte ganz oben auf der Tonleiter Ohrenschmalz verdampfen.
    Sie begann mit hohen Tönen und sah schon kurze Zeit später, daß sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nachdem Fledermäuse und Holzwürmer aus den Dachsparren gefallen waren und im Ort die Hunde gebellt hatten, preßte sich Vlad die Hände auf die Ohren.
    Agnes schnappte nach Luft.
»Ein weiterer Schritt, und ich schreie noch lauter!« rief sie. Der Graf hob Oma Wetterwachs hoch, als wäre sie eine Puppe. »Dazu bist du bestimmt fähig«, sagte er. »Aber früher oder später ge
    rätst du außer Atem. Vlad, sie ist dir gefolgt, du kannst sie haben. Aber du bist für sie verantwortlich. Du mußt sie füttern und ihren Käfig säubern.«
    Der jüngere Vampir näherte sich vorsichtig.
»Du bist wirklich nicht vernünftig«, zischte er.
»Gut!«
    Und dann war er neben ihr. Aber im Gegensatz zu Agnes hatte Perdita damit gerechnet, und als Vlad eintraf, stieß der Ellenbogen bereits zu und fuhr in seinen Bauch, bevor er ausweichen konnte.
    Sie trat vor, als er sich zusammenkrümmte, und stellte dabei fest: Die Unfähigkeit zu lernen schien zu den Eigenschaften zu gehören, die ein Vampir nur schwer abstreifen konnte.
    Der Graf legte Oma Wetterwachs auf den Tisch. »Igor!« rief er. »Wo bist du, du dämlicher…«
»Ja, Herr?«
Der Graf wirbelte um die eigene Achse. »Mußt du immer so hinter mir erscheinen?«
    »Der alte Graf erwartete ef von mir, Herr. Ef ift eine profeffionelle Fache.«
»Hör auf damit.«
    »Ja, Herr.«
    »Und das gilt auch für deine Ausdrucksweise. Geh und läute zum Essen.«
»Ja, Herr.«
    »Und ich habe dir schon tausendmal gesagt, daß du nicht hinken sollst!« rief der Graf, als Igor durch den Saal humpelte. »Es sieht alles andere als lustig aus!«
    Igor ging an Agnes vorbei und lispelte vor sich hin.
    Vlad schloß zu Agnes auf, als sie zum Tisch ging, und ein Teil von ihr reagierte mit Erleichterung darauf – weil sie gar nicht wußte, was sie machen sollte, wenn sie den Tisch erreichte.
    »Du mußt gehen«, schnaufte er. »Ich würde natürlich nicht zulassen, daß er dir ein Leid zufügt, aber mein Vater kann sehr… unwirsch sein.«
»Ich gehe nicht ohne Oma.«
    Hinter Agnes’ Stirn erklang eine leise Stimme: Laß mich… zurück… Die Worte stammen nicht von mir, sagte Perdita. Ich glaube, sie hat zu dir gesprochen.
Agnes sah zu der auf dem Bauch liegenden Gestalt. Im bewußtlosen Zustand wirkte Oma Wetterwachs viel kleiner.
    »Möchtest du zum Essen bleiben?« fragte der Graf.
»Du hast vor, ihr… Nach all dem Gerede willst du ihr… Blut trinken?« »Wir sind Vampire, Fräulein Nitt. Und Vampire trinken Blut. Nennen
    wir es ein kleines… Sakrament.«
»Wie könnt ihr nur! Sie ist eine alte Frau!« Der Graf drehte sich ruckartig um und stand plötzlich ganz dicht vor Agnes.
    »Glaub mir, die Vorstellung eines jüngeren Aperitifs ist sehr reizvoll«, sagte er. »Aber Vlad würde schmollen. Wie dem auch sei: Mit wachsendem Alter gewinnt Blut ein… besonderes Aroma, so wie Wein. Frau Wetterwachs wird nicht sterben. Nicht in dem Sinn. In ihrem Stadium des Lebens sollte man ein wenig Unsterblichkeit begrüßen.«
    »Aber sie verabscheut Vampire!«
    »Das könnte zu einem Problem werden, wenn sie zu sich kommt, denn dann wird sie selbst einer sein, und ein ziemlich unterwürfiger noch dazu. Meine Güte…« Der Graf bückte sich und zog Hilbert Himmelwärts an einem Arm unterm Tisch hervor. »Was für eine blutleere Vorstellung. Ich erinnere mich an Omnianer, die voller Gewißheit und Feuer steckten, von mutigen und unversöhnlichen Männern angeführt wurden, die gleichzeitig geradezu unglaublich irre waren. Angesichts einer so seichten und verwässerten Angelegenheit würden sie verzweifeln. Bitte nimm ihn mit.«
    »Sehen wir uns morgen wieder?« fragte Vlad und bewies Agnes, daß Männer aller Spezies über ein Dummheitsgen verfügen.
»Es wird dir nicht gelingen, Oma in einen Vampir zu verwandeln!« erwiderte Agnes und schenkte Vlad keine Beachtung.
»Sie kann sich nicht dagegen wehren«, sagte der Graf. »Sie hat es im
    Blut, wenn wir wollen.«
»Sie wird Widerstand leisten.«
»Es dürfte interessant sein, das zu beobachten.«
Der Graf ließ Himmelwärts wieder zu Boden sinken.
»Geh jetzt, Fräulein Nitt. Nimm den armseligen Priester mit. Morgen… Nun, morgen könnt ihr eure alte Hexe zurück haben. Aber sie wird uns gehören. Es gibt eine Hierarchie. Das ist allgemein bekannt –

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