Ruhig Blut!
zumindest bei den Leuten, die alles über Vampire wissen.«
Hinter ihm übergab sich Himmelwärts.
Agnes dachte an die hohläugigen Menschen, die jetzt im Schloß arbeiteten. Niemand hatte so etwas verdient.
Sie ergriff den Priester an seiner Jacke und hielt ihn wie einen Sack. » Auf Wiedersehen, Fräulein Nitt«, sagte der Graf.
Sie zerrte den erschlafften Pfaffen zum Tor. Draußen regnete es inzwischen in Strömen – wie graue, stählerne Geschosse kamen die Tropfen aus dem Himmel herab. Agnes hielt sich in unmittelbarer Nähe der Wand, die zumindest ein wenig Schutz gewährte, und zog Himmelwärts unter dem Schwall hoch, der aus dem Mund eines Wasserspeiers spritzte.
Er schauderte. »Ach, die arme Frau«, stöhnte er und sank nach vorn. Ein dicker Regentropfen traf seinen Kopf und zerplatzte in Dutzende von wäßrigen Splittern.
»Ja«, bestätigte Agnes. Die beiden anderen Hexen waren geflohen, weil ihnen ein ganz bestimmter Gedanke durch den Kopf ging – ein Gedanke, den Perdita teilte. Sie alle hatten es gespürt, als Oma Wetterwachs ihr Selbst fortschickte, und… Das Baby hieß sogar Esme. Andererseits… Sie konnte sich Omas Stimme in ihrem eigenen Kopf nicht eingebildet haben, was bedeutete, daß sie irgendwo in der Nähe weilte…
»Ich habe es ganz schön verpfuscht, nicht wahr?« fragte Himmelwärts.
»Ja«, erwiderte Agnes geistesabwesend. Das Selbst in das Baby zu übertragen… erschien irgendwie richtig. Es hatte etwas Folkloristisches und Romantisches, und deshalb neigten Nanny und Magrat dazu, daran zu glauben. Aus dem gleichen Grund würde sich Oma Wetterwachs gegen diese Möglichkeit entscheiden. Es steckte keine Romantik in Omas Seele, wußte Agnes. Aber sie verstand es gut, die romantischen Aspekte anderer Personen zu manipulieren.
Wo befand sie sich jetzt? Etwas war geschehen. Oma hatte die Essenz ihres Seins an einem sicheren Ort untergebracht, und ungeachtet ihrer Behauptungen dem Grafen gegenüber konnte dieser Ort nicht weit entfernt sein. Nur etwas Lebendiges kam in Frage, und wenn es ein Mensch war, wußte er sicher nichts von der fremden Präsenz…
»Wenn ich doch nur den richtigen Exorzismus angewandt hätte«, murmelte Himmelwärts.
»Deine Bemühungen wären in jedem Fall vergeblich geblieben«, sagte Agnes scharf. »Ich wußte nicht einmal, daß es religiöse Vampire gibt.« »Eine solche Chance bekommt ein Priester vermutlich nur einmal in seinem Leben…«
»Du warst einfach die falsche Person«, erwiderte Agnes. »Wenn sich die hiesigen Vampire mit einer Broschüre verscheuchen ließen, wärst du genau der richtige Mann.«
Sie blickte auf Hilbert Himmelwärts hinab. Perdita musterte ihn ebenfalls.
»Pater Melchio wird bei solchen Gelegenheiten sicher sehr schroff«, sagte er und stand auf. »Oh, sieh mich nur an, ich bin ganz schmutzig. Äh… warum siehst du mich so an?«
»Oh… nur so ein Gedanke. Die Vampire haben noch immer keinen
Einfluß auf dich, oder?«
»Wie meinst du das?«
»Beeinflussen sie deinen Geist? Wissen sie, was dir durch den Kopf
geht?«
»Ha! Die meiste Zeit habe selbst ich keine Ahnung, was mir durch den Kopf geht«, sagte Himmelwärts kummervoll.
»Wirklich?« fragte Agnes. Wirklich? fragte Perdita.
»Er hatte recht«, murmelte Himmelwärts, der überhaupt nicht zuhörte. »Ich habe alle enttäuscht. Ich hätte an der Schule bleiben und den Übersetzerposten annehmen sollen.«
Blitz und Donner blieben aus. Es regnete einfach nur, und zwar ziemlich stark.
»Aber… ich bin bereit, es noch einmal zu versuchen«, fügte Himmelwärts hinzu.
»Das bist du? Warum?«
»Kehrte nicht Kazrin dreimal ins Mahagtal zurück, um Hireads Kelch den Soldaten der Ooliten zu stehlen, während sie schliefen?« »Tatsächlich?«
»Ja. Ich bin… ziemlich sicher. Und sprach nicht Om zum Propheten
Brutha: ›Ich bin bei dir an dunklen Orten‹?«
»Bestimmt benutzte er genau diese Worte.«
»Ja. Eigentlich kann kein Zweifel daran bestehen.«
»Und auf dieser Basis willst du zurückkehren?« fragte Agnes. »Ja.«
»Warum?«
»Welchen Nutzen hätte ich sonst? Wozu tauge ich überhaupt etwas?« »Ich bezweifle, daß wir eine zweite Konfrontation überleben werden«,
sagte Agnes. »Diesmal haben sie uns gehen lassen, weil das eine Gemeinheit war. Verflixt! Jetzt muß ich entscheiden, was es zu tun gilt, und eigentlich ist das gar nicht meine Aufgabe. Immerhin bin ich die Jungfrau, meine Güte!« Sie sah den Gesichtsausdruck des jungen Priesters, und aus
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