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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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gebänderten Haare noch einen Moment zitterten, nachdem ich die Hand wieder weggenommen hatte. Dann zog ich vorsichtig das Lid an dem Auge hoch, das mir zugewandt war. Ein mattgraues Auge, sehr unwölfisch, starrte an mir vorbei ins Leere. Es war nicht Becks Auge. Erleichtert wippte ich zurück in die Hocke und sah zu Isabel hoch.
    Im selben Moment, als ich sagte: »Ich frage mich, wer das gewesen ist«, murmelte Isabel: »Ich frage mich, woran er gestorben ist.«
    Ich ließ meine Hand über seinen Körper wandern – er lag auf der Seite, die Vorder- und Hinterläufe jeweils überkreuz und den Schwanz hinter sich ausgestreckt wie eine Flagge auf Halbmast. »Ich sehe nirgends Blut«, sagte ich und biss mir auf die Lippe.
    »Dreh ihn doch mal um«, forderte Isabel mich auf.
    Vorsichtig fasste ich den Wolf bei den Beinen und drehte ihn auf die andere Seite; sein Körper war nicht merkenswert steif – auch wenn ein Blatt auf seinem Gesicht gelegen hatte, war er also noch nicht lange tot. Die Schultern hochgezogen, wappnete ich mich schon mal für einen grausigen Anblick. Aber wider Erwarten war auch auf der anderen Seite keine äußerliche Verletzung zu sehen.
    »Vielleicht war es einfach Altersschwäche«, überlegte ich. Meine Freundin Rachel hatte früher einen Hund gehabt, einen betagten Golden Retriever, dessen Schnauze mit dem Alter schneeweiß geworden war.
    »Besonders alt sieht er aber nicht aus«, widersprach Isabel.
    »Sam hat gesagt, die Wölfe sterben, wenn sie sich ungefähr fünfzehn Jahre lang nicht mehr verwandelt haben«, sagte ich. »Vielleicht war’s bei diesem hier einfach so weit.«
    Behutsam hob ich die Schnauze des Wolfs an, um sie aus der Nähe auf verräterische graue oder weiße Haare zu untersuchen. Ich hörte Isabels angeekeltes Stöhnen, noch bevor ich den Grund dafür bemerkte. Getrocknetes Blut klebte an den Lefzen des Wolfs – zuerst dachte ich, es könnte vielleicht noch von einem Beutetier stammen, aber dann sah ich, dass seine Schnauze auf der Seite, die auf dem Boden gelegen hatte, vollkommen blutverkrustet war. Es war sein eigenes Blut.
    Wieder schluckte ich, mir war ein bisschen übel. Ich wollte nicht, dass Isabel das merkte, also riss ich mich zusammen und sagte: »Vielleicht ist er vor ein Auto gerannt und hat sich dann hierhergeschleppt?«
    Isabel schnaubte, entweder verächtlich oder angewidert. »Nein. Guck dir doch mal seine Nase an.«
    Sie hatte recht. Zwei getrocknete Rinnsale führten von den Nasenlöchern des Wolfs hinunter zu dem Blut um seine Lippen.
    Irgendwie konnte ich den Blick gar nicht von ihm abwenden. Wenn Isabel nicht da gewesen wäre, weiß ich nicht, wie lange ich noch dort gekauert, seine Schnauze gehalten und diesen Wolf- diesen Menschen – angesehen hätte, der mit seinem eigenen Blut im Gesicht gestorben war.
    Aber Isabel war da. Also ließ ich die Schnauze des Wolfs sanft zurück auf den Boden gleiten. Mit einem behandschuhten Finger streichelte ich den weichen Pelz in seinem Gesicht. Es war morbid, aber ich hätte mir am liebsten noch einmal seine andere Seite angesehen, die blutige.
    »Ich glaube, da war irgendwas nicht in Ordnung mit ihm«, sagte ich.
    »Ach was, im Ernst?«, erwiderte Isabel. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Kann ja auch bloß Nasenbluten gewesen sein. Kriegen Wölfe überhaupt Nasenbluten? Wenn man dabei hochguckt, muss man jedenfalls würgen.«
    Mein Magen zog sich zusammen vor lauter düsteren Vorahnungen.
    »Grace, jetzt krieg dich mal wieder ein. Das kann auch von einer Gehirnerschütterung kommen. Oder vielleicht haben irgendwelche Vögel an ihm rumgepickt, als er schon tot war. Oder jede Menge anderes ekliges Zeug, über das man sich vor dem Mittagessen vielleicht nicht unbedingt den Kopf zerbrechen sollte. Der springende Punkt ist doch, er ist tot. Ende, aus.«
    Ich starrte das leblose graue Auge an. »Vielleicht sollten wir ihn begraben.«
    »Vielleicht könnten wir aber auch erst mal Kaffee trinken«, hielt Isabel dagegen.
    Ich stand auf und wischte mir den Schmutz von den Knien. In mir breitete sich dieses quälende Gefühl aus, das man immer dann hat, wenn man etwas nicht zu Ende bringt, eine nagende Unruhe. Vielleicht wusste Sam ja mehr. Bemüht locker antwortete ich: »Ist ja gut. Gehen wir uns erst mal aufwärmen und ich rufe Sam an. Er kann sich den Wolf dann ja später ansehen.«
    »Warte«, rief Isabel mich zurück. Sie zog ihr Handy aus der Tasche, hielt es in der ausgestreckten Hand und schoss ein Foto

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