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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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hier rausschaffen musste, bevor mein Vater nach Hause kam. Mom würde ihm nichts verraten. In dieser Hinsicht war sie ziemlich in Ordnung. Sie sah genauso wenig Sinn darin wie ich, den Karren noch tiefer in den Dreck zu fahren.
    Schließlich fand ich einen schäbigen Pullover, ein T-Shirt und eine einigermaßen annehmbare Jeans. Zufrieden drehte ich mich um – und stieß mit Cole zusammen.
    Ich schluckte einen weiteren Fluch hinunter, mein Herz klopfte wie wild. Ich musste den Kopf ein wenig in den Nacken legen, um ihm aus dieser Nähe ins Gesicht sehen zu können. Er war ziemlich groß. Im schwachen Licht der Stehlampe wirkten seine Gesichtszüge kantig, wie auf einem Rembrandt-Porträt.
    »Du hast so lange gebraucht«, erklärte Cole und trat aus reiner Höflichkeit einen Schritt zurück. »Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht die Schrotflinte holst.«
    Ich drückte ihm das Klamottenbündel in die Arme. »Heute ist ›nichts drunter‹ angesagt, Unterwäsche gibt’s nicht.«
    »Tja, kann man wohl nicht ändern.« Er warf T-Shirt und Pullover aufs Bett und drehte sich weg, um die Jeans anzuziehen. Sie hing ihm ziemlich locker auf den Hüften. Am liebsten hätte ich ihm den selbstgefälligen Ausdruck aus dem Gesicht gekratzt. Dann griff er nach dem T-Shirt, und als er es auseinanderfaltete, sah ich, dass es Jacks Lieblingsshirt von den Minnesota Vikings war, mit den weißen Farbflecken rechts unten am Saum, seit er letztes Jahr die Garage gestrichen hatte. Er hatte das T-Shirt immer tagelang am Stück getragen, bis selbst er zugeben musste, dass es müffelte. Wie ich das gehasst hatte.
    Cole hob die Arme über den Kopf, um es anzuziehen, und plötzlich war mein einziger Gedanke, dass ich es nicht ertragen würde, jemand anderen als meinen Bruder in diesem T-Shirt zu sehen. Ohne nachzudenken, grabschte ich eine Handvoll Stoff und Cole erstarrte. Er sah zu mir herunter, das Gesicht völlig ausdruckslos, allenfalls ein bisschen verwirrt.
    Ich zupfte ein bisschen, um zu zeigen, was ich wollte, und Cole ließ mit leicht fragendem Blick zu, dass ich ihm das T-Shirt aus den Händen zog. Als ich es endlich wiederhatte, stand mir nicht der Sinn danach, ihm zu erklären, warum ich meine Meinung geändert hatte, also küsste ich ihn stattdessen. Es war so viel leichter, ihn zu küssen, ihn gegen die Wand zu drücken, das spöttische Lächeln auf seinen Lippen zu schmecken, als ihm verständlich zu machen, warum ich mich beim Anblick von Jacks T-Shirt in seinen Händen so verletzlich fühlte, so wund in meinem Inneren.
    Und er küsste gut. Ich spürte seinen flachen Bauch und seine Rippen an meinem Körper, doch er hob nicht die Hände, um mich zu berühren. Von so nah roch er wie Sam an dem Abend, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, nach Wolf: Moschus und Kiefernnadeln. Cole presste seinen Mund auf meinen, voll tief empfundenem Hunger, und mir kam der Gedanke, dass er beim Küssen sehr viel ehrlicher wirkte, als wenn er sprach.
    Als ich mich von ihm löste, blieb Cole, wo er war. Die Finger in die Taschen seiner noch immer offenen Jeans gehakt, lehnte er an der Wand und sah mich an, den Kopf leicht schräg gelegt. Mir hämmerte das Herz in der Brust und meine Hände zitterten, so sehr musste ich mich beherrschen, um ihn nicht direkt noch mal zu küssen. Er dagegen wirkte vollkommen ruhig. An der Haut seines Unterleibs konnte ich sehen, wie langsam und gleichmäßig sein Puls ging. Die Tatsache, dass er nicht genauso durch den Wind war wie ich, machte mich unfassbar wütend. Ich trat einen Schritt zurück und warf mit Jacks T-Shirt nach ihm. Er streckte die Hand aus und fing es in der Sekunde auf, in der es von seiner Brust abprallte.
    »War’s so schlimm?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte ich und verschränkte die Arme, um sie stillzuhalten. »Hat sich angefühlt, als würdest du versuchen, einen Apfel zu essen.«
    Seine Augenbrauen rutschten ein Stück hoch, als wüsste er genau, dass ich log. »Noch ein Versuch?«
    »Besser nicht«, sagte ich und rieb mir über die Stirn. »Ich glaube, du solltest jetzt gehen.«
    Ich hatte kurz Angst, dass er fragen würde, wo er denn hinsollte, aber er zog sich bloß den Pullover über und riss mit einer ziemlich endgültigen Geste den Reißverschluss seiner Jeans hoch. »Da könntest du recht haben.«
    Ich sah, dass seine Fußsohlen ziemlich schlimm zerschnitten waren, aber er fragte nicht nach Schuhen und ich bot ihm auch keine an. Vor lauter Anstrengung, die es mich kostete,

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