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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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auf die Reifenschaukel im Garten geflüchtet und darauf gewartet, dass die Geräusche des Waldes die ruhelose Leere in mir füllten.
    »Wenn du zum Berserker wirst, räume ich hinterher nicht dein Zimmer auf«, warnte Mom. »Und du gehst jetzt ganz bestimmt nicht raus. Du bist vor gerade mal zwei Tagen im Krankenhaus gewesen.«
    »Wegen eines Fiebers, das jetzt wieder weg ist«, entgegnete ich. Hinter ihr konnte ich den Himmel sehen, er war von einem tiefen, warmen Blau, vor dem die fast schwanger aussehenden Zweige der Bäume aufragten. Alles in mir schrie danach, draußen zu sein, den nahenden Frühling zu riechen. Im Vergleich dazu fühlte sich das Wohnzimmer grau und taub an. »Außerdem ist Vitamin D ganz wichtig für kranke Leute wie mich. Ich bleib auch nicht lange draußen.«
    Als sie nichts sagte, ging ich in den Flur und schlüpfte in meine Gartenclogs. Die Stille, die zwischen uns hing, sagte mehr über das, was in dieser Nacht passiert war, als die wenigen Worte, die wir darüber verloren hatten.
    Mom sah aus, als fühlte sie sich sehr unbehaglich. »Grace, ich glaube, wir sollten uns mal unterhalten. Über –« Pause. »Dich und Sam.«
    »Oh, bitte nicht.« Meiner Stimme war deutlich anzuhören, wie begeistert ich von diesem Vorschlag war.
    »Ich reiße mich auch nicht gerade darum«, sagte sie und klappte das Buch zu, ohne sich die Seitenzahl zu merken. Das erinnerte mich wieder an Sam, der sich immer die Seitenzahl merkte oder vorübergehend einen Finger ins Buch legte, bevor er aufsah und etwas sagte. Mom sprach weiter: »Aber wir müssen darüber reden, und wenn du mit mir redest, sage ich es deinem Vater, sodass du zumindest nicht mit ihm reden musst.«
    Ich wusste nicht, warum ich überhaupt mit einem von den beiden reden sollte. Bisher hatten sie sich nie dafür interessiert, was ich machte oder wo ich war, wenn sie unterwegs waren. In einem Jahr würde ich sowieso auf dem College sein oder zumindest nicht mehr bei ihnen wohnen. Ich überlegte kurz, ob ich einfach abhauen sollte, dann aber drehte ich mich mit verschränkten Armen zu ihr um.
    Mom kam direkt auf den Punkt. »Ihr verhütet doch, oder?«, wollte sie wissen.
    Meine Wangen glühten. »Mom.«
    Aber sie ließ nicht locker. »Ja oder nein?«
    »Ja. Aber so ist das alles gar nicht.«
    Mom hob eine Augenbraue. »Ach so? Wie ist es denn dann?«
    »Ich meine, es ist nicht nur so. Sam –« Verzweifelt suchte ich nach den richtigen Worten, um ihr klarzumachen, warum ihr Tonfall und das, was sie sagte, mich so auf die Palme brachten. »Ich meine, er ist nicht einfach irgendein Junge, Mom. Wir –«
    Doch so, wie sie mich ansah, eine Augenbraue spöttisch hochgezogen, wusste ich plötzlich nicht mehr, wie ich den Satz beenden sollte. Ich wusste einfach nicht, wie ich mit ihr über so was wie Liebe und für immer reden sollte, und mit einem Schlag wurde mir klar, dass ich das auch gar nicht wollte. Diese Art von Offenheit war etwas, was man sich erst verdienen musste.
    »Ihr was? Ihr liebt euch?« So wie Mom das sagte, klang es vollkommen lächerlich. »Du bist siebzehn, Grace. Wie alt ist er? Achtzehn? Wie lange kennst du ihn denn schon? Ein paar Monate. Hör zu – du hast noch nie einen Freund gehabt. Sex ist nicht alles, was zählt. Zusammen zu schlafen, bedeutet nicht, dass man sich liebt.«
    »Du schläfst mit Dad. Liebt ihr euch etwa nicht?«
    Mom verdrehte entnervt die Augen. »Wir sind verheiratet. «
    Warum machte ich mir überhaupt die Mühe? »Diese ganze Unterhaltung wird uns irgendwann mal ziemlich witzig vorkommen, wenn Sam und ich euch im Altenheim besuchen«, sagte ich kühl.
    »Tja, das hoffe ich wirklich«, erwiderte Mom. Dann lächelte sie plötzlich, als wäre dieses Gespräch nichts als eine ungezwungene Plauderei. Als hätten wir uns gerade zu einem Mutter-Tochter-Tanztee verabredet. »Aber ich bezweifle, dass wir uns daran auch nur erinnern werden. Von Sam wird dir dann wahrscheinlich nicht mehr als ein Abschlussballfoto geblieben sein. Ich weiß noch genau, wie ich mit siebzehn war, und glaub mir, was da in der Luft lag, war nicht nur Liebe. Glücklicherweise habe ich mir immer meinen gesunden Menschenverstand bewahrt. Sonst hättest du heute vielleicht ein paar Geschwister. Ich weiß noch, als ich in deinem Alter war –«
    »Mom!«, fuhr ich sie an und mein ganzes Gesicht war heiß vor Wut. »Ich bin nicht du. Ich bin nicht im Geringsten wie du. Du hast nicht die leiseste Ahnung, was in meinem Kopf vorgeht oder wie mein

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