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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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»Eine halbe Stunde. Er hat sich die ganze Zeit hin- und zurückverwandelt. Ist das normal?«
    »Nein«, seufzte Sam kopfschüttelnd und ließ den Wolf noch immer nicht aus den Augen, der mittlerweile fast auf dem Boden kauerte und zurückstarrte. »Nein, das ist nicht normal. Wenn es warm genug ist, dass er zum Menschen werden kann, dann sollte er es eigentlich auch schaffen, länger in dieser Gestalt zu bleiben. Ich habe keine Ahnung was da – ich meine …« Er brach ab, als der Wolf wieder aufstand.
    Sam zog seine Knie zurück, falls Victor plötzlich lospreschen wollte, aber der legte nur die Ohren an und fing wieder an zu zittern. Wir beide sahen weg, bis er wieder ein Mensch war und genug Zeit gehabt hatte, sich die Decke umzulegen.
    Victor stöhnte leise und presste sich die Hand gegen die Stirn.
    Sam drehte sich zu ihm um. »Tut es weh?«
    »Mmh. Geht so.« Er hielt inne, zog die Schultern bis zu den Ohren hoch und blieb so sitzen. »Gott, ich mach das jetzt schon den ganzen Tag. Ich will einfach nur wissen, wann es endlich aufhört.« Mich sah er nicht an; seine Ehrlichkeit war für Sam bestimmt.
    »Ich wünschte, ich könnte dir darauf eine Antwort geben, Victor«, sagte Sam. »Irgendwas verhindert, dass du deine Gestalt behältst, aber ich habe keine Ahnung, was.«
    »Dann bleibt das jetzt so?«, stöhnte Victor. »Ich meine, dann bin ich ziemlich am Arsch, oder? Das hab ich davon, dass ich auf dich gehört habe, Cole. Ich hätte wissen müssen, dass mal wieder nur Mist dabei rauskommt.«
    Aber er sah mich immer noch nicht an dabei.
    Ich dachte wieder an den Tag damals im Hotel. Victor kam gerade wieder runter von seinem High und landete ziemlich hart. Zu der Zeit fiel er danach immer in ein höllisch tiefes Loch und selbst ich in meiner geflissentlichen Gleichgültigkeit erkannte, dass er da eines Tages nicht mehr allein rauskommen würde. Ich hatte ihm helfen wollen, als ich vorschlug, er sollte doch mit mir ein Wolf werden. Das war nicht nur Egoismus gewesen. Es lag nicht nur daran, dass ich es nicht alleine machen wollte.
    Wenn Sam jetzt nicht dabei gewesen wäre, hätte ich Victor das auch gesagt.
    Sam boxte Victor freundschaftlich an die Schulter. »Hey. Es ist eben anders, wenn man noch neu ist. Am Anfang sind alle instabil, aber das gibt sich. Klar, jetzt ist es beschissen und in deinem Fall ist beschissen die Untertreibung des Jahrhunderts, aber wenn es draußen richtig warm wird, hast du’s überstanden.«
    Victor warf Sam einen resignierten Blick zu, ein Gesichtsausdruck, den ich schon Millionen Male gesehen hatte – den hatte er schließlich eigens für mich kreiert. Dann sah er mich an. »Das hier solltest du sein, du Arschloch«, fluchte er und wurde wieder zum Wolf.
    Sam hob hilflos die Arme, die Handflächen wie flehend nach oben gewandt, und stammelte völlig frustriert: »Wie – wie – wie …«
    Mir wurde klar, wie viel Mühe es ihn gekostet hatte, seine Mimik und seine Stimme bis jetzt unter Kontrolle zu halten. Es brachte mich vollkommen aus dem Konzept, fast so sehr wie Victors Verwandlungen, dass Sam, der vorher die Ruhe selbst gewesen war, plötzlich zu einem panischen Nervenbündel wurde. Das bedeutete, dass er die ganze Zeit durchaus in der Lage gewesen wäre, mir gegenüber eine freundliche Maske aufzusetzen, aber vorgezogen hatte, es nicht zu tun. Irgendwie veränderte das meinen Eindruck von ihm vollkommen.
    Vielleicht war das der Grund, warum ich jetzt etwas sagte. »Ich glaube, da ist etwas stärker als die Temperatur. Die Wärme sorgt dafür, dass er sich in einen Menschen verwandelt, aber irgendwas anderes sagt seinem Körper offenbar, er soll wieder zum Wolf werden.«
    Sam sah mich an. Nicht ungläubig, aber auch nicht gerade überzeugt. »Und was könnte das sein?«, fragte er.
    Ich sah zu Victor hinüber und hasste ihn dafür, dass er das alles so verkomplizierte. Wie schwer war es denn bitte, einfach ein Wolf und dann wieder ein Mensch zu werden wie geplant? Ich wünschte, ich wäre nie zu diesem verdammten Schuppen gegangen.
    »Vielleicht hat es was mit den chemischen Abläufen in seinem Gehirn zu tun?«, überlegte ich. »Victor hat da so ein kleines Hormonproblem. Kann ja sein, dass dieses Ungleichgewicht seine Verwandlungen beeinflusst.«
    Jetzt warf Sam mir einen verwirrten Blick zu, aber bevor er irgendwas sagen konnte, fingen die Beine des blassgrauen Wolfs erneut an zu zittern. Ich sah einen Moment weg und dann war Victor wieder ein Mensch. Einfach

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