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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Gehirn arbeitet und ob Sam und ich uns lieben oder nicht. Also versuch noch nicht mal, so eine Unterhaltung mit mir zu führen. Versuch noch nicht mal – ach. Weißt du was? Mir reicht’s.«
    Ich schnappte mir mein verbotenes Handy, das auf dem Küchentisch lag, nahm meinen Mantel und stapfte nach draußen. Ich schob die Glastür hinter mir zu und sprang von der Veranda, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich hätte ein schlechtes Gewissen dafür haben sollen, dass ich Mom so angefahren hatte, aber ich konnte einfach kein bisschen Reue empfinden.
    Sam fehlte mir so sehr, dass es wehtat.

KAPITEL 23
SAM
    Als ich aus dem Buchladen kam, war es draußen absurd warm. Die Sonne schien mir beinahe heiß auf die Wangen, als ich an Becks Haus ankam und die Wagentür aufstieß. Ich stieg aus und breitete die Arme weit aus, die Augen geschlossen, bis es sich so anfühlte, als würde ich fallen. Wenn nicht gerade ein kühler Windstoß kam, war es, als hätte die Luft um mich dieselbe Temperatur wie mein Körper, als hätte ich überhaupt keine Haut, als schwebte ich in der Luft wie ein Geist.
    Die Vögel, überzeugt davon, dass dieser Nachmittag endgültig die Rückkehr des launischen Frühlings bedeutete, saßen in den Büschen ums Haus und piepsten einander aufgeregt Liebeslieder zu. Auch in mir entstand ein Song, noch ohne Melodie.
     
    I walk through the seasons and always the birds are singing and screaming and keening for love When you’re with me it seems so absurd
    that I should be jealous of the jay and the dove.
     
    Das erinnerte mich an jene warmen Frühlingstage, an denen ich mich aus meiner Wolfsgestalt geschält hatte, Tage, an denen ich unendlich glücklich darüber war, meine Finger wiederzuhaben.
    Jetzt allein zu sein, fühlte sich einfach falsch an.
    Ich würde noch einmal im Schuppen nachsehen gehen. Heute war ich Cole noch nicht begegnet, aber ich war mir sicher, dass er bei diesem Wetter ein Mensch sein musste, irgendwo. Vielleicht hatte sich auch noch einer der neuen Wölfe verwandelt; warm genug war es jedenfalls. So hatte ich zumindest etwas zu tun, anstatt bloß apathisch durchs Haus zu wandern, auf morgen zu warten und mich zu fragen, ob ich wirklich ins Studio fahren und Grace wirklich mitkommen würde.
    Außerdem würde Grace sicher wollen, dass ich nach Olivia Ausschau hielt.
    Sobald ich mich dem Schuppen bis auf ein paar Meter genähert hatte, wusste ich, dass jemand darin war: Die Tür stand einen Spaltbreit offen und ich hörte, wie sich drinnen etwas bewegte. Mein Geruchssinn war zwar längst nicht mehr das, was er zu meinen Wolfszeiten gewesen war, aber meine Nase verriet mir, dass es einer von uns sein musste; der Moschusduft des Rudels wurde nur teilweise vom Geruch menschlichen Schweißes überdeckt. Als Wolf hätte ich genau sagen können, welches Rudelmitglied es war. Jetzt, als Mensch, war ich blind für solche Feinheiten.
    Ich ging also zur Tür und klopfte dreimal mit den Fingerknöcheln dagegen. »Cole? Alles klar da drin?«
    »Sam?« Cole klang – erleichtert? Das schien gar nicht zu ihm zu passen. Ich hörte Krallen über den Boden scharren, dann ein Stöhnen. Ich spürte, wie sich die Härchen in meinem Nacken alarmiert aufstellten.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich und schob die Tür vorsichtig auf. Im Schuppen stank es nach Wolf, als würden die Wände den Geruch ausbluten. Zuerst sah ich Cole, vollständig angezogen, der bei den Kisten stand und nervös die Knöchel einer Hand an den Mund presste. Und dann folgte ich seinem Blick in die Ecke des Schuppens und sah den Typen, der dort kauerte, halb bedeckt von einer hellblauen Fleecedecke.
    »Wer ist das?«, flüsterte ich.
    Cole nahm die Hand runter und sah weder mich noch die Gestalt in der Ecke an.
    »Victor«, sagte er ausdruckslos.
    Als er seinen Namen hörte, wandte der Typ den Kopf und sah uns an. Hellbraune, verfilzte Locken, die ihm bis zu den Wangenknochen reichten. Vermutlich ein paar Jahre älter als ich. Sofort sprang meine Erinnerung zu dem Moment, als ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Als er mit gefesselten Händen im Laderaum von Becks Tahoe saß und mich ansah. Seine Lippen hatten stumm das Wort Hilfe geformt.
    »Kennt ihr euch?«, fragte ich.
    Victor schloss die Augen, als ihn ein Schauder überlief, dann sagte er: »Ich – Moment –«
    Von einer Sekunde zur anderen schlüpfte er aus seiner Haut in den Pelz eines blassgrauen Wolfs mit dunkler Gesichtszeichnung, schneller, als ich es je bei einem von

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