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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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bin!«
    Ich lächelte und zündete mir eine Zigarette an.
    Er sah mich erwartungsvoll an. »Beim lieben Gott, ich hoffe, daß wenigstens Sie ein halbwegs normaler Mensch sind. Noch ein Perverser mehr hier, und ich bin geliefert.«
    »Pervers?« hakte ich nach.
    »Ach, Sie wissen schon, was ich meine«, sagte er und fuhr mit der Hand durch die Luft.
    »Säufer, Penner, Kriminelle – Perverse eben«, rief er. »Weiß der Himmel, woher die alle kommen, elende kleine Pisser. Schleichen herum wie die Wiesel, grinsen mich
breit an – und schwirren ab, ohne ein gottverdammtes Wort zu sagen.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Wie soll ich nur eine Zeitung machen – mit lauter Saufköpfen?«
    »Klingt übel«, sagte ich.
    »Das ist es«, murmelte er vor sich hin, »glauben Sie mir, das ist es.« Dann hob er seinen Kopf. »Ich möchte, daß Sie sich so schnell wie möglich mit allem vertraut machen. Wenn wir hier fertig sind, gehen Sie ins Archiv und vertiefen sich in die alten Ausgaben. Machen Sie sich Notizen, finden Sie heraus, was Sache ist.« Er nickte. »Später setzen Sie sich mit Segarra zusammen, das ist unser Herausgeber. Ich habe ihm gesagt, daß er Sie einweisen soll.«
    Wir unterhielten uns noch eine Weile, und ich erwähnte, daß ich ein Gerücht aufgeschnappt hätte – die Zeitung würde bald schließen.
    Er sah alarmiert aus. »Das haben Sie von Sala, stimmt’s? Hören Sie nicht auf ihn – der Mann ist verrückt!«
    Ich lächelte. »Okay. Dachte bloß, besser ich frag mal.«
    »Zu viele Verrückte hier«, murrte er. »Wir brauchen ein bißchen mehr klaren Verstand.«
    Als ich zurück ins Archiv ging, fragte ich mich, wie lange ich es in San Juan wohl machen würde; wie lange es dauern würde, bis man mich als »Wiesel« oder »Perverser« abstempelte, bis ich mir selbst in die Eier trat oder patriotische Schläger über mich herfielen. Ich mußte an Lottermans Stimme denken, als er mich in New York angerufen hatte; wie seltsam abgehackt er geredet und wie merkwürdig er sich ausgedrückt hatte. Da hatte ich es schon geahnt; jetzt aber war mir alles klar. Ich hatte ihn genau vor mir gesehen; wie er den Hörer mit beiden Händen so fest umklammert, daß man das Weiß der Knöchel unter der Haut sehen kann; wie er versucht, mit ruhiger
Stimme zu sprechen, während der Mob unten vor der Haustür steht und betrunkene Reporter im Büro herumpinkeln; und wie er dann nervös sagt: »Keine Frage, Kemp, Sie klingen wie ein normaler Mensch, machen Sie sich auf den Weg und –«
    Und hier war ich also, ein neues Gesicht in der Schlangengrube, ein Kandidat für den Club der Perversen, der eine Krawatte mit Paisley-Muster trug und ein Hemd mit Button-Down-Kragen, nicht mehr richtig jung, aber auch noch nicht alt und bucklig – ein Mann auf der Kippe, der jetzt ins Archiv trabte, um herauszufinden, was überhaupt los war.
    Nach ungefähr zwanzig Minuten kam ein gut aussehender schmaler Puertoricaner ins Archiv und tippte an meine Schulter. »Kemp?« sagte er. »Ich bin Nick Segarra . Haben Sie kurz Zeit?«
    Ich stand auf und wir gaben uns die Hand. Er hatte kleine Augen, und sein Haar war so perfekt gekämmt, daß ich erst dachte, er würde ein Toupet tragen. Er sah tatsächlich so aus wie ein Mann, der die Biographie des Gouverneurs schreiben – und den man auch auf der Cocktailparty des Gouverneurs treffen würde.
    Als wir durch die Nachrichtenredaktion gingen und auf seinen Schreibtisch hinten in der Ecke zusteuerten, kam ein Mann zur Tür herein, der aussah, als wäre er einer Rum-Werbung entsprungen. Er winkte Segarra und trat auf uns zu, elegant und freundlich lächelnd, der Typ Regierungsbeamter im grauen Leinenanzug, sonnengebräunt und mit durch und durch amerikanischem Gesicht.
    Er begrüßte Segarra sehr herzlich, und sie schüttelten sich die Hände. »Eine reizende Gesellschaft da unten auf der Straße«, sagte er. »Einer von denen hat mich angespuckt, als ich das Gebäude betrat.«
    Segarra schüttelte den Kopf. »Grauenvoll, wirklich grauenvoll. Ed bringt sie immer wieder gegen sich auf.« Dann sah er zu mir herüber. »Paul Kemp«, sagte er. »Hal Sanderson.«
    Sanderson drückte mir mit festem Griff die Hand, und ich hatte das Gefühl, daß ihm irgendwann in seiner Jugend eingeschärft worden war, ein Mann sei soviel wert wie sein Händedruck.
    Er lächelte, dann sah er Segarra an. »Haben Sie Zeit für einen Drink? Ich bin da an einer Sache dran, die Sie interessieren könnte.«
    Segarra

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