Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
stimmte Sala zu. »Und weil jetzt jeder weiß, wer ich bin, muß ich mit diesem Ding da arbeiten.« Er zeigte uns eine winzige Kamera, nicht größer als ein Feuerzeug. »Wie Dick Tracey«, sagte er grinsend. »Ich mach sie alle fertig.«
Dann wandte er sich an mich. »Na, gut durchgekommen heute – irgendwelche Angebote?«
»Angebote?«
»Dein erster Arbeitstag«, sagte er. »Bestimmt hat dir jemand ein Geschäft angeboten.«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe Segarra kennengelernt. Und einen gewissen Sanderson. Wer ist das eigentlich?«
»Ein PR-Mann. Arbeitet für Adelante.«
»Für die Regierung?«
»So ungefähr«, sagte Sala. »Das Volk von Puerto Rico bezahlt Sanderson, damit er das Image der Insel in den Staaten aufpoliert. Adelante ist so etwas wie ein großer PR-Apparat.«
»Und wann hat er für Lotterman gearbeitet?« fragte ich, denn ich war in einigen alten Ausgaben der NEWS auf Sandersons Namen gestoßen.
»Der war von Anfang an dabei. Nach einem Jahr ist er dann zu Adelante. Lotterman behauptet, sie hätten ihn abgeworben, aber er ist sowieso kein Verlust – ein Blender, ein richtiges Arschloch.«
»Ist das der Kumpel von Segarra?« fragte Yeamon.
»Ja«, gab Sala zurück und fingerte gedankenverloren
Salatblätter und Tomaten von seinem Hamburger. Nachdem er hektisch zu Ende gegessen hatte, stand er auf. »Gehen wir«, sagte er und sah dabei Yeamon an. »Komm, vielleicht ist noch irgendwo was los.«
Yeamon schüttelte den Kopf. »Ich muß meine verdammte Geschichte fertig kriegen. Und dann noch rausfahren zum Haus.« Er lachte. »Ich bin jetzt ein Mann mit Familie.«
Wir zahlten und gingen zu Salas Wagen. Es war eine schöne, schnelle Fahrt nach Condado, mit offenem Verdeck den Boulevard entlang. Der Wind kühlte uns ab, und der kleine Motor dröhnte bis in die Baumwipfel über unseren Köpfen, während wir durch den Verkehr brausten.
Das Casino im Caribé war ein weitläufiger, verrauchter Raum in der ersten Etage, wo die Wände mit dunklen Stoffen ausgeschlagen waren. Sala wollte bei seinem Job lieber allein sein. Am Eingang trennten wir uns.
Ich blieb beim Black-Jack-Tisch stehen, aber dort machten alle einen gelangweilten Eindruck, also ging ich weiter zum Würfelspiel. Hier ging es lauter zu. Eine Horde Matrosen schrie aufgeregt über den Tisch, als der Würfel auf den grünen Stoff fiel, und die Croupiers schoben die Chips vor und zurück wie verzweifelte Gärtner. Zwischen den Matrosen standen Männer in Smoking oder Seidenanzug. Die meisten rauchten Zigarre, und wenn sie redeten, dann mit New Yorker Akzent. Irgendwo in der Rauchwolke hinter mir hörte ich, wie ein Mann als »der größte Gauner von New Jersey« vorgestellt wurde. Ich war neugierig, drehte mich um und sah den Gauner bescheiden lächeln, während die Frau neben ihm in wildes Gelächter ausbrach.
Der Roulette-Tisch war von einer tristen Gesellschaft bevölkert; die meisten gaben sich viel jünger, als sie waren.
Gerade für alternde Frauen ist die Beleuchtung in Casinos nicht gerade vorteilhaft. Jede Falte im Gesicht und jede Warze im Nacken, jeder Schweißtropfen zwischen schlaffen Brüsten, jedes Härchen am Nippel, der für einen Moment freiliegt, ein wabbeliger Arm oder ein durchhängendes Auge – alles kommt zum Vorschein. Ich betrachtete ihre geröteten, frisch von der Sonne verbrannten Gesichter, und sie starrten auf die Roulettekugel und befingerten nervös ihre Chips.
Dann ging ich an einen Tisch, wo ein junger Puertoricaner im weißen Jackett kostenlose Sandwiches ausgab. »Die Kastanien liegen im Feuer«, rief ich ihm zu.
»Sí«, gab er ernst zurück.
Als ich zurück an den Roulette-Tisch gehen wollte, faßte mich jemand am Arm.
»Alles klar?« sagte Sala. »Laß uns weiterziehen.«
Wir fuhren die Straße hinauf zum Condado Beach Hotel. Im Casino war fast niemand. »Probieren wir‘s eins weiter«, sagte er.
Nebenan befand sich das La Concha. Das Casino hier war voller, aber die Atmosphäre genau so wie zuvor – eine Art matter Raserei, als würde man Aufputschmittel nehmen, wenn man lieber nur schlafen will.
Irgendwie kam ich einer Frau näher, die angeblich aus Trinidad stammte. Sie hatte üppige Brüste, redete mit britischem Akzent und trug ein enges grünes Kleid. Ich stand nur kurz neben ihr am Roulette-Tisch, doch ehe ich mich versah, waren wir schon zusammen auf dem Parkplatz und warteten auf Sala – der auf genauso seltsame Weise wie ich an ein Mädchen geraten war. Wie sich
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