Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
den Kopf.
»Keine falsche Bescheidenheit. Ich weiß doch, daß du eine willst.«
»Na gut«, sagte ich. »Gib mir eine Grapefruit.«
Chenault brachte zwei Teller mit großen Schinkenomelettes, einen für Yeamon, den anderen für mich.
Ich schüttelte den Kopf und sagte, ich hätte schon gegessen.
Sie lächelte. »Keine Angst. Es ist genug da.«
»Ich meine es ernst«, sagte ich. »Ich hab schon gegessen, am Flughafen.«
»Dann ißt du eben noch mal«, sagte Yeamon. »Und nachher fangen wir ein paar Hummer – du hast noch den ganzen Morgen Zeit.«
»Du gehst nicht in die Redaktion?« fragte ich. »Ich dachte, die Emigrantengeschichte wäre heute fällig.«
Er schüttelte grinsend den Kopf. »Jetzt haben sie mich erst mal auf diese Sache mit dem versunkenen Schatz angesetzt. Am Nachmittag fahre ich mit ein paar Tauchern raus – angeblich haben sie gleich vor dem Hafen das Wrack einer alten spanischen Galeone gefunden.«
»Und die Emigrantengeschichte wurde gestrichen?« fragte ich.
»Nein – werde mich wieder dranmachen, wenn ich mit der Schatzsuche fertig bin.«
Ich zuckte mit den Achseln und begann zu essen. Chenault hatte sich auch einen Teller geholt und setzte sich vor Yeamons Stuhl auf den Boden.
»Nimm meinen Platz«, sagte ich und wollte schon aufstehen.
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Danke, alles bestens.«
»Bleib doch sitzen, Kemp«, sagte Yeamon. »Du benimmst dich seltsam. Das frühe Aufstehen bekommt dir wohl nicht.«
Ich stammelte etwas von guten Manieren und aß weiter. Über meinen Teller hinweg sah ich Chenaults Beine, klein, kräftig und gebräunt. Sie hatte fast nichts an und schien sich ihrer Nacktheit so wenig bewußt zu sein, daß ich mir hilflos vorkam.
Nach dem Frühstück und einem guten Schluck Rum schlug Yeamon vor, mit einer Harpune zum Riff zu schwimmen und nach Hummer Ausschau zu halten. Ich war sofort einverstanden. Alles war besser, als herumzusitzen und in der eigenen Lust zu schmoren.
Yeamon hatte eine komplette Taucherausrüstung mit einer großen doppelläufigen Harpune, ich nahm die
Taucherbrille mit Schnorchel, die er für Chenault gekauft hatte. Wir schwammen zum Riff, und von der Wasseroberfläche aus sah ich zu, wie er den Meeresgrund nach Hummer absuchte. Nach einer Weile tauchte er auf und gab mir die Harpune, aber ohne Flossen war ich zu unbeweglich und überließ die Tauchgänge ihm. Ich blieb lieber oben und ließ mich von der sanften Brandung treiben, schaute auf den weißen, mit Palmen bewachsenen Strand und steckte nur ab und zu meinen Kopf ins Wasser, um zu beobachten, wie Yeamon über den Boden glitt wie ein Monsterfisch in einer anderen Welt.
Wir arbeiteten uns ungefähr hundert Meter am Riff entlang. Dann schlug er vor, es auf der anderen Seite zu versuchen. »Da draußen muß man aufpassen«, rief er und paddelte zu einer seichten Öffnung im Riff. »Es gibt Haie – paß du auf, wenn ich unten bin.«
Plötzlich krümmte er sich und tauchte senkrecht nach unten. Nur wenige Sekunden später war er wieder oben, und an seiner Harpune zappelte ein gewaltiger grüner Hummer.
Kurz darauf kam er mit einem zweiten, und wir kehrten um. Chenault wartete im Hof auf uns.
»Großartiges Mittagessen«, sagte Yeamon und warf die Hummer in einen Kübel neben der Tür.
»Und jetzt?« fragte ich.
»Du reißt ihnen nur die Beine raus, dann kochen wir sie«, erwiderte Yeamon.
»Verdammt«, sagte ich.«Schade, aber ich muß gehen.«
»Wann mußt du da sein?« fragte er.
»Jetzt gleich«, sagte ich. »Mein Bericht über den Bürgermeister von Miami wird schon erwartet.«
»Scheiß auf den Bürgermeister«, sagte er. »Bleib lieber hier, wir betrinken uns und jagen ein paar Hühner.«
»Hühner?« fragte ich.
»Ja, die Nachbarn hier haben alle Hühner, die frei herumlaufen. Eins habe ich letzte Woche erwischt, als wir gerade kein Fleisch hatten.« Er lachte. »Ein hübscher Sport – man jagt sie einfach mit der Harpune.«
»Jesus«, murmelte ich.«Die werden bald dich einfach mit der Harpune jagen, wenn sie mitkriegen, daß du ihre Hühner umlegst.«
In der Redaktion fand ich Sala in der Dunkelkammer und teilte ihm mit, daß sein Wagen wieder da sei.
»Gut«, sagte er. »Wir müssen jetzt zur Universität. Lotterman will, daß du die Elite kennenlernst.«
Wir unterhielten uns ein paar Minuten und er fragte, wie lange ich noch im Hotel bleiben wolle.
»Ich muß bald raus«, sagte ich. »Lotterman gab mir zu verstehen, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher