Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
zurückkam, wo immer er auch den Nachmittag über gewesen sein mochte. Ich nickte, als ich ihn sah, und schaute mit mäßigem Interesse zu, wie ihn Lotterman zu sich ins Büro rief. »Wir müssen über die Emigrantengeschichte reden«, sagte er. »Was zum Teufel versuchen Sie mir da unterzujubeln?«
Yeamon sah überrascht aus. »Wie meinen Sie das?«
Lotterman brüllte plötzlich los. »Ich meine ganz einfach,
daß Sie damit nicht durchkommen! Seit drei Wochen sitzen Sie an dieser Geschichte, und jetzt sagt mir Segarra, daß sie unbrauchbar ist!«
Yeamons Gesicht lief rot an, und er beugte sich zu Lotterman, als ob er ihm gleich an die Gurgel gehen wollte. »Unbrauchbar?« sagte er leise. »Warum ist sie … unbrauchbar?«
Lotterman war so wütend, wie ich ihn noch nie erlebt hatte, und Yeamon sah so bedrohlich aus, daß jener schnell seinen Ton änderte – zwar nur ein wenig, aber es fiel auf. »Hören Sie«, sagte er. »Ich bezahle Ihnen Ihr Gehalt nicht dafür, daß Sie Artikel für Monatsmagazine schreiben – was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht, sechsundzwanzig Manuskriptseiten abzuliefern?«
Yeamon lehnte sich nach vorn. »Teilen Sie’s auf«, antwortete er. »Sie müssen die Geschichte ja nicht auf einmal bringen.«
Lotterman lachte.«Oh – so sieht es also aus! Sie wollen wohl, daß ich eine Serie drucke – und Sie kriegen dann den Pulitzer-Preis, oder wie?« Er machte einen Schritt nach vorn und wurde wieder lauter. »Yeamon, wenn ich eine Serie will, dann verlange ich eine Serie – sind Sie zu blöde, um das zu begreifen?«
Alle schauten jetzt zu, und ich dachte schon, Yeamon würde die Zähne Lottermans gleich in der gesamten Redaktion herumfliegen lassen. Als Yeamon zu reden anfing, überraschte es mich, wie ruhig er blieb. »Sehen Sie«, sagte er mit durchdringender Stimme. »Sie wollten die Geschichte, warum Puertoricaner Puerto Rico verlassen – richtig?«
Lotterman starrte ihn an.
»Also gut, und ich habe eine Woche lang an dieser Geschichte gearbeitet – und nicht drei, wenn Sie die andere
Scheiße berücksichtigen, die Sie mir gegeben haben. Und jetzt schreien Sie hier herum, weil meine Geschichte sechsundzwanzig Seiten hat! Verdammt noch mal, sechzig Seiten hätte ich machen sollen! Wäre die Geschichte im Blatt, die ich schreiben wollte, würde man Sie aus der Stadt jagen!«
Lotterman wirkte verunsichert. »Gut«, sagte er nach einer Pause, »wenn Sie eine Sechzig-Seiten-Geschichte machen wollen, ist das Ihre Sache – aber wenn Sie für mich arbeiten wollen, kriege ich die Geschichte in tausend Wörtern. Für die morgige Ausgabe.«
Yeamon lächelte unmerklich. »Segarra kann so was gut – soll er sie doch kürzen.«
Lotterman blähte sich auf wie eine Kröte. »Was sagen Sie da?« schrie er. »Heißt das, daß Sie es selbst nicht machen wollen?«
Yeamon lächelte wieder. »Ich frage mich bloß«, sagte er, »ob Ihnen schon mal jemand den Hals umgedreht hat.«
»Was soll das schon wieder heißen?« schnauzte Lotterman zurück. »Hab ich das richtig verstanden, Sie wollen mir den Hals umdrehen?«
Yeamon lächelte. »Ein Mann weiß nie, wann ihm der Hals umgedreht werden könnte.«
»Oh mein Gott«, rief Lotterman. »Sie hören sich an wie ein Verrückter, Yeamon. Für das, was Sie da sagen, hat man andere schon eingesperrt!«
»Ja, tatsächlich«, gab Yeamon zurück. »HÄLSE WERDEN RUMGEDREHT!« Er sagte das mit kräftiger Stimme, und mit seinen Händen machte er einige brutal aussehende Drehbewegungen, ohne seinen Blick von Lotterman abzuwenden.
Jetzt schien Lotterman wirklich beunruhigt zu sein. »Sie sind verrückt«, sagte er nervös. »Vielleicht wäre es am
besten, Sie würden kündigen, Yeamon – und zwar sofort.«
»Oh, nein«, sagte Yeamon schnell. »Keine Chance – ich bin zu beschäftigt.«
Lotterman wurde zittrig. Ich wußte, daß er Yeamon nicht feuern wollte, weil er sonst ein ganzes Monatsgehalt Abfindung zahlen mußte. Nach einer Pause sagte er wieder: »Doch, Yeamon, es wäre wirklich besser, Sie würden kündigen. Sie scheinen hier nicht glücklich zu sein – warum gehen Sie nicht einfach?«
Yeamon lachte. »Ob ich glücklich bin oder nicht – warum feuern Sie mich nicht?«
Ein gespanntes Schweigen setzte ein. Wir alle warteten auf den nächsten Schritt und waren von dem Schauspiel amüsiert und gleichzeitig ein wenig verwirrt. Am Anfang hatte es noch nach einer der üblichen Tiraden von Lotterman ausgesehen; dann aber hatte
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