Rumble & Rush (German Edition)
Überwindung kostete, nicht vorzuspringen, den Mann am Kragen zu packen und ihm anschließend das dreiste Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln.
Kyle stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab und beugte sich vor, sodass er John direkt in die Augen sehen konnte.
»Lawrence, wie viele Dollar hast du in der letzten Saison auf der Rush verdient?« Der Tonfall des Kapitäns war derart gefährlich, dass Gyls Nackenhaare beschlossen, sich aufzustellen. Die an den Armen schlossen sich umgehend an.
Es herrschte absolute Stille und als Kyle die gleiche Frage noch einmal stellte, rutschte nicht nur der Frischling unruhig auf der Bank hin und her.
»65.000«, erwiderte John gelassen.
»Wer hat die Stellen für die Körbe ausgewählt?«
»Du«, gab John zurück und schien bei Weitem nicht mehr so arrogant, wie noch vor wenigen Sekunden.
»Wer sitzt grundsätzlich auf der Brücke, wenn die Beringsee gefährlich wird?«
»Du«, kam es ein weiteres Mal und eindeutig gedämpft.
»Gut. Ich bin es also, der dafür sorgt, dass ihr mit reichlich Kohle aus der Saison geht und wir nicht absaufen. Jetzt sag mir nur noch, wer von uns beiden wichtiger für die Rush ist.«
Es war für Gyl ein Silvesterfeuerwerk der Gefühle, als er die hektischen Bewegungen von Johns Adamsapfel sah. Er sog die Mimik auf, als dieser flüsterte: »Du.«
»Gut, dass du dir dessen bewusst bist. Dein Hirn und deine vorlaute Klappe sollten sich das ebenso merken. Falls du glaubst, dass das nicht möglich ist, kannst du deine Sachen packen und deinen Arsch von meinem Schiff bewegen, haben wir uns verstanden?«
Es war das erste Mal, dass John dem Blick des Kapitäns nicht standhielt und mit einem Nicken auf die Tischplatte sah.
»Dann wäre das geklärt«, stellte Kyle wesentlich entspannter fest. Der Rotschopf drehte sich zu Gyl um und blickte ihn mit funkelnden Augen an. »Das nennt man missgestimmt und jetzt brauche ich wirklich etwas zu essen.«
Ohne der Runde am Tisch weitere Aufmerksamkeit zu schenken, ging Kyle am Tresen vorbei und steuerte den Kühlschrank der Rush an.
»Im Ofen ist noch Hackbraten«, erklärte John kleinlaut. »Ich bin ein vorlautes Arschloch, das kochen kann.«
Gyl sah den Seemann überrascht an und nahm gerade noch wahr, wie dessen Blick sich von dem Rücken des Kapitäns löste. Er stutzte, denn für den Bruchteil von Sekunden glaubte er, zwei Dinge darin zu sehen. Bei dem Ersten handelte es sich um Anerkennung und das Zweite, ihn absolut überraschende, war Zuneigung.
Gyls Gedanken überschlugen sich mit einer Geschwindigkeit, die sie wirr werden ließen. Er senkte den Kopf und starrte auf den Boden, um seine Mimik nicht zur Schau zu stellen. Konnte es sein, dass John sich so benahm, weil er sich zum Kapitän hingezogen fühlte? Der Knast dürfte auch den anderen Mann gelehrt haben, Emotionen zu verstecken. Man wurde nicht weich und offenbarte nicht, wenn man womöglich Gefühle für jemanden hegte, denn damit spielte man der Konkurrenz einen Trumpf in die Hand und machte sich zum Spielball interner Machenschaften.
Gyl hob das Kinn wieder und musterte John unauffällig. Allein durch die imposante Statur dürfte es dem Mann nicht schwergefallen, sein einen gefährlichen Eindruck zu hinterlassen. Die dunkelbraunen Haare waren akkurat kurz geschnitten, etwas, dass Gyl nach seiner Entlassung vermieden hatte, um nicht mehr mit dem Spiegelbild konfrontiert zu werden, das ihn in seiner Zelle tagtäglich erwartet hatte. Er konnte Johns Alter schlecht einschätzen, aber er ging davon aus, dass der Mann nicht älter als Mitte dreißig war. Während die anderen begannen, sich über belanglose Dinge zu unterhalten und Kyle sich am Ofen zu schaffen machte, huschten die braunen Augen des Seemanns immer wieder über die Arbeitsfläche und ruhten auf der Rückseite des Kapitäns. Gyls Mundwinkel zuckte verdächtig, denn dies bestätigte seine Annahme, dass dieser John ganz und gar nicht egal war. Dass John allerdings versuchte, es durch Sprüche zu verstecken, die Kyle diffamierten, lag ihm schwer im Magen.
Als Brian verkündete, seinen Kater vom Vorabend noch ein wenig auskurieren zu wollen, ehe die Rush ablegte, schloss Daniel sich umgehend an. Gyl war nicht unglücklich, dass sie den Frischling mitnahmen. Der Kapitän hatte sich einen beachtlichen Berg essen aufgeladen, der so gar nicht zu der schmalen Statur passen wollte. Als John aufstand, um sich ebenso aus dem Staub zu machen, hob Kyle den Kopf und erklärte
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