Rumble & Rush (German Edition)
und blickte auf die dunklen Docks. Gyl drehte sich um und stützte die Unterarme auf der Metallstrebe ab, dann sah er ebenso in diese Richtung. Heute waren dort keine Körbe mehr zu sehen und es herrschte schon fast gespenstische Stille. Sie warteten alle auf das Einläuten der Saison.
»Die Ruhe vor dem Sturm«, flüsterte Dustin.
Gyl blickte den rothaarigen Mann an und stellte fest, dass dessen Gesichtsausdruck ausgesprochen angespannt war. Er schubste den anderen leicht mit der Schulter an. »Du siehst ernst aus, macht es dir solche Magenschmerzen, alleine raus zu müssen?«
Dustin zögerte einen Moment, sah ihn bedrückt an und schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«
»Was dann?«, hakte er nach.
»Mein alter Herr hat dir gesagt, warum ich die Saison auf der Luna übernehme?«
»Gesundheitliche Gründe, soweit ich weiß. Er sagte, dass er eine Weile ins Krankenhaus muss.«
»Das stimmt. Er sitzt schon seit fast vierzig Jahren auf der Brücke. Seine Wirbelsäule hat beschlossen ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen und es steht eine recht schwierige Operation an. Er hat es Kyle und mir verkauft, als wäre es ein Spaziergang, allerdings sagte meine Mutter heute früh am Telefon etwas anderes. Der Eingriff ist wohl nicht so einfach, wie er es erzählt hat und es besteht das nicht unbeachtliche Risiko, dass er anschließend im Rollstuhl landet. Ich mache mir Sorgen um den alten Herren und darum, dass ich eventuell die Luna ganz übernehmen muss.«
»Vielleicht hat er es euch deshalb nicht gesagt, damit ihr auf die Saison konzentriert seid?«
Dustin gab ein leises Schnaufen von sich. »Das sähe ihm sogar ausgesprochen ähnlich.«
Gyl schwieg und wusste nicht recht, was er sagen sollte. Es gab nichts, was beschönigt hätte werden können und so war er es dieses Mal, der für sie beide eine Zigarette anzündete.
»Ich weiß nicht, ob ich der richtige Mann für die Brücke bin«, unterbrach Dustin nach einer Weile das Schweigen. »Ich mag das Deck und die körperliche Arbeit und bin kein Mensch, der sich wohlfühlt, wenn er stundenlang alleine dort oben abgesondert sitzt. Die Kombination mit Kyle war perfekt, weil wir uns so gut ergänzen und nun kann es passieren, dass sich alles ändert.«
»Warte erst einmal ab, Dustin. Falls es wirklich so sein sollte, besteht ja eventuell die Möglichkeit jemanden mit auf die Luna zu nehmen, der gern auf der Brücke ist.«
Dustin nickte, sah allerdings noch immer ausgesprochen betrübt aus, sodass Gyl automatisch seine Hand auf den Rücken des anderen legte und tröstend darüber glitt. Er wusste nicht recht, ob diese Geste passend war, aber zwischen dem Mann, den er gut leiden konnte, und ihm, schien sie ihm allerdings gerade angemessen.
»Lass uns unten noch einen Kaffee trinken«, schlug Gyl vor, um Dustin auf andere Gedanken.
»Klingt gut«, gab dieser zurück und schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
Ein Kaffee folgte dem anderen, während die Zwei sich angeregt über die Arbeit unterhielten. Morgens um halb drei standen sie wieder auf dem Deck und verabschiedeten sich voneinander. Dustin ging jedoch nicht, ohne Gyl das Versprechen abzuringen, ihn bezüglich der Entwicklungen zwischen John und seinem Bruder auf dem laufenden zu halten.
»Die nächste Saison machen wir zusammen!«, rief Dustin, der bereits die Gangway hinablief.
»Ach komm, du willst doch nur gucken, wer von uns beiden besser ist.«
»Pah! Das habe ich nicht nötig, weil klar ist, dass ich der Bessere bin, Gyl Simon.«
»Träumer!«
»Glaub mir, ich weiß es! Das hat nichts mit Träumerei zu tun!«, wollte der andere das letzte Wort haben.
Gyl lachte herzlich. »Ich wünsch dir einen guten Start in die Saison und volle Körbe, Dustin!«
»Ich euch auch und denk daran, dich bei mir zu melden, wenn du auf der Brücke bist!«
»Versprochen!«, rief Gyl noch hinterher, dann entfernte sich Dustin von der Rush.
Obwohl sie zuvor Unmengen an Zigaretten und Kaffee vernichtet hatten, zündete Gyl sich eine weitere an und blickte dem Mann nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte.
Er grinste, denn ihm gefiel der Gedanke zunehmend, wirklich eine Saison mit Dustin Pruett durchzuziehen.
Kapitel 6
Es tat gut die ersten Probekörbe zu versenken und in diesem Moment war es egal, auf welchem Boot er stand, denn die Routine war sofort wieder gegenwärtig. Gyl stellte zufrieden fest, dass die Seeleute aufeinander eingespielt waren und es mit der Zusammenarbeit keinerlei Probleme gab.
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