Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
Autowaschen im Fluss, und am Straßenrand überall Spargelverkäufer. Spargel ist hier neben Chilis und jungem Farn das beliebteste Gemüse. Im Dzong ist es phantastisch (wenn man alle Dzongs von Bhutan besucht hat, ist man ausgedzongt ), eine Gruppe älterer amerikanischer Lesben lässt sich erschöpft durch die von Butterkerzen beleuchteten Hallen schleusen, überall hängt schwer der Geruch von Butter, und die Spendendose für die Kerzen ist ausgerechnet eine Keksdose der Marke Danish Butter Cookies . Das sind Witze, die kann man ganz einfach nicht erfinden. Wenn man abends wieder in Thimphu ankommt, hat man infolge durchrüttelnden Fahrens einen Muskelkater vom Sitzen.
In der Hauptstadt überall Schulkinder der Jigme Losel Primary School, die Lose für eine Tombola verkaufen. Ich nehme gleich zehn und mache ein Schulkind glücklich, allerdings werde ich nicht zur Tombola können, so wird mein eventueller Preis, ein blauer Ball, nicht abgeholt werden, wieder mal ein Fall für meine Sammlung «Mitleid mit Dingen». Ich muss morgen auf eine Hochzeit. Mein Mann vor Ort, mit dem ich auch die Ampel pflanzen will, Bauingenieur Ösel wird mich mitnehmen. Einer der reichsten Männer des Landes heiratet eine der reichsten Frauen des Landes, ich glaube, Ösel hat mit ihm eine Schule besucht, er meint, ich bräuchte unbedingt einen Gho. Den Gho trägt jeder Mann, muss er sogar. Er ist Schüleruniform und offizielles Arbeitsgewand der Beamten und besteht aus einem bodenlangen, glockenweiten Bademantel, der mittels Gurt auf eine Rocklänge gerefft und hinten zusammengefaltet wird, bis man die Knie sieht. Vorne bauschen sich die Wülste oberhalb des Gurtes, hier lassen sich Unterlagen verstauen, Bethelnüsse, kleine Tiere und (seit 2005) Mobiltelefone. Ich habe sogar einen gesehen, der das eben gekaufte Spargelbündel darin verstaute. Zuletzt werden am Ärmel mit Sicherheitsnadeln noch weiße Stulpen befestigt. Frauen tragen einen langen Rock namens Kira, darüber ein Jäckchen aus Brokat und Augen, die sie eigentlich nur dazu gebrauchen, sie niederzuschlagen.
Ösel und zwei seiner Kollegen wickeln mich in einer Baubaracke. Das ist nicht leicht, und vor allem wird der Gurt sehr fest geschnürt, damit nicht gleich alles rausplumpst, und es wird auch nicht auf dem Hüftknochen gebunden, sondern auf Bauchhöhe, dass man sich Sorgen um Quetschungen der inneren Organe machen muss. Dazu werden knielange, sehr enge (dürfen nicht rutschen) Thrombosestrümpfe und eine Art Schnabelschuhe getragen, und dann geht’s ab zur Hochzeit, die in einer Waldlichtung am Rande Thimphus stattfindet. Auf dem Weg dorthin raunt mir Ösel zu, dass die Schwester der Braut die Miss Bhutan von 2010 sei, auch das noch, und ich hab noch nicht mal ein Geschenk. Bevor man sich in die Reihe der Gratulanten einreiht, bekommt man ein weißes Tuch, das beim Gratulieren über das schüttelnde Handknäuel gelegt wird. Man setzt sich dann auf kleine rote Plastikstühle, isst einen kleinen Snack aus geliertem Schweinebauch und trinkt dazu Cola ohne Blubberbläschen. Der Boden ist mit Fichtennadeln übersät, Arbeiter (Inder) mussten sie im Wald sammeln, damit es nicht so staubt.
Gekommen sind viele, auch der Bruder des Königs, zwei Schwestern und eine seiner vier Mütter (sein Vater hat vier Frauen), ich tippe mal auf Ashi Tshering Yangdon Wangchuck, die, die so ein eckiges Gesicht wie Hannelore Kohl hat, also Ashi Sangay Choden Wangchuck ist es schon mal nicht. Etwas abseits sitzen die Bewohner des Dorfs, aus dem die Braut stammt, alle die Zähne rot von den Bethelnüssen, eine Oma stopft einem Dreijährigen permanent präparierte Nüsse in den Mund, das Kind ist völlig überdreht und hat einen knallroten Kopf, die Miss Buthan 2010 lächelt mich an, ein höchst eigenartiger Zustand durchrieselt mich, von Seligkeit, es macht mich matt, so verschnürt, hier oben auf bald 3000 Metern, ich bekomme Stiche und empfinde eine gewisse Süße, vergleichbar jener, die einer Faulobstbrühe zu entweichen pflegt, wenn sie gärt. Ich muss weg, alles wird zu viel, Wallungen, Kurzatmigkeit, wie halten die das hier nur aus? Ich sage Ösel, dass ich, bevor wir die Ampelaktion angehen, morgen dringend noch nach Phobjikha müsse. In diesem Tal überwintern bis Ende März jährlich mehr als 260 Exemplare des bedrohten Schwarzhalskranichs, die sollen ein absolut hörenswertes Geschrei machen. Die Strecke beträgt etwa 130 Kilometer, und man braucht dafür sechs Stunden. Als ich
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