Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
vielleicht auch gut so.
Ein zweifellos weit unappetitlicherer Aspekt des Bachmannkampflesens als die sinistren beruflichen Werdegänge sind die filmischen Porträts, die dem Lesegeknatter vorangestellt werden. Hier herrscht eine altbackene Ästhetik vor, die einen rätseln lässt, wie schwach das visuelle Ästhetikempfinden der Autoren so sein muss, dass sie das alles mit sich machen lassen. Klischees direkt aus der Schnittbildhölle, beschriebene Seiten werden zerknüllt und/oder weggeworfen und/oder vom Wind davongeweht, Saxophonmusik, Rolltreppen, Rollbänder, Aufzüge, Großaufnahmen gehender Füße, Spiegel, Spiegelungen, zerbrochene Spiegel, Brillengläser, Zettel auf Waldböden, Brücken und so weiter, man beneidet seine Augen nicht unbedingt, eher noch schämt man sich für sie.
Die Zusammenkunft selbst macht diese kurzen Qualen aber wieder wett. Wie eine Horde qua Zuckerschock (Hypoglykämie) aufgekratzter Kinder fallen die Literaturaficionados ein, vom eigentlichen Klagenfurt dabei weitestgehend ignoriert. Alle Verlage schicken Abordnungen, Lektoren, Agenten, Parlamentäre, gleichsam Sendboten aus dem All, um hochkonzentriert einem Ritual mit eigenen okkulten Regeln und Gesetzen beizuwohnen. Wenn Archäologen dermaleinst hier graben, werden sie vermutlich das finden, was man in den Gebirgshöhlen von Bajan-Kara-Ula gefunden hat. Dort, an der Grenze zwischen China und Tibet, liegt ein unzugängliches Gebirgsland, das etwa so groß wie Kärnten und eine der einsamsten Regionen Chinas ist. 1937 fand ein chinesischer Archäologe in einigen Felshöhlen exakt ausgerichtete Gräber. In ihnen Skelette von genau 1,30 Metern Größe. Die Skelette sind sehr zierlich, mit besonders dünnen Knochen und im Vergleich zum restlichen Körper extrem großen Köpfen. Folgt man den uralten chinesischen Sagen, dann sollen vor etwa 12000 Jahren sehr kleine und dünne gelbe Menschenwesen aus den Wolken herabgestiegen sein. Aufgrund ihres hässlichen Aussehens wurden sie von den Menschen aus der Region gemieden und von ihnen sogar zu Pferde gejagt. Die schnellen Rösser, die stehen 12000 Jahre später logischerweise für das jährliche Golf-GTI-Treffen am Wörthersee, welches naturgemäß um ein Vielfaches populärer ist als die Literatursause (Gib Gummi!).
Ein schöne Bereicherung des Wettkampfes sind die angereisten Literaturhooligans. Es gibt eine Gruppe, die sich Free Ernst Grandits nennt, nach dem soignierten, immer etwas verstrahlt wirkenden Diskussionsleiter früherer Jahre, den man sich offenbar zurückwünscht. Es gibt ein Bachmannwettschwimmen im Wörthersee, organisiert von einer anderen Gruppe, die behauptet, die Literatur sei nur das Begleitprogramm ihres Schwimmens, es wird ein Fußballspiel veranstaltet, Autoren gegen ORF-Techniker, bei dem in schöner Regelmäßigkeit die Techniker gewinnen, es gibt sogar einen Sonderpreis eines Weblogs namens Riesenmaschine, das sich bei den Textbergwerken wühlmausartig ins Detail gräbt und Klischees, Parataxenstakkati oder Sätze wie «Da kommt Franz, der, wie du weißt, dein Vater ist» ahndet und deren Vermeidung belohnt. Pluspunkte gibt es etwa für das Vorkommen von feuchten Frottétüchern, miefigen Sporttaschen oder von Nagetieren in den Texten.
Und dann gibt es natürlich auch noch das eigentliche Lesen. Und das war im Jahre 2010 seltsam temperamentlos matt, bürokratisch, sodass es auch bei der Jury unter Vorsitz des charismatischen Burkhard Spinnen, dessen lauernde und zuschlagende Spinnenhaftigkeit die beste ist, die man bekommen kann, ungewohnt zahnlos zuging. Gut, Spinnen haben keine Zähne, aber man vermisste die Reibungshitze vergangener Jahre. Die war verpufft, einzig Juror Hubert Winkels ließ dann und wann Gehirnkapriolen und Souveränität im Urteil erkennen, bewies Mut zum Zausen, Karin Fleischanderl hingegen, die nicht nur so heißt, wie sie aussieht, sondern auch so ist, wurde zu oft rabulistisch nur um der Rabulistik wegen, aber auch das blies den Wind nicht in die Glut. Juror Alan Claude Sulzer hingegen verschlief, wie es schien, die gesamte Veranstaltung.
Bei den Autoren waren natürlich alle gespannt auf die Vorarlbergerin Verena Rossbacher, sie wurde von fast allen Wettbörsen als Favoritin gehandelt. Von ihr ging die Aura einer Melusine aus, ihr Vortrag erinnerte dann jedoch, wie Jurorin Meike Feßmann zu Recht anmerkte, an den Krach einer Vuvuzela. Es half nichts, dass die anämische Autorin auftrat wie Nadine Hurley, dir Irre mit der
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