Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
ankomme, ist kein Kranich mehr da, knapp verpasst, nur noch einer, der wurde von einem Fuchs gebissen und kann nicht mehr fliegen, der muss hier ausharren, bis die anderen wiederkommen. Es gibt hier auch eine Art Krankerkranichlotto, man schätzt, wenn alle noch anwesend sind, wie viele von ihnen dableiben müssen, und dieses Jahr war es eben nur einer. Einen Tag vor meiner Ankunft rauschten sie ab, nach Tibet, wo sie brüten. Na ja, wenigstens noch einer, aber der schreit leider nicht, aus Kummer verstummt wohl. Ich frage den Koch im Hotel, ob man Kraniche essen könne, er schaut mich gar nicht entsetzt an und meint, ich solle ihn bringen, er würde ihn schon braten. Im Restaurant eine Abordnung eleganter Männer, man kommt ins Gespräch, und es stellt sich heraus, dass sie eine Abordnung Außenhandelsdelegierter aus dem benachbarten Bodoland sind, einer Provinz in Assam, deren Einwohner nach Unabhängigkeit dürsten. Ich frage, ob sie vom kranken Kranich gehört hätten, nein, haben sie nicht. Ob der Vogel einen Namen habe, hm. Ich sage Werner, Werner sei ein guter Kranichname, da mischt sich der übereifrige Kellner ein und meint entrüstet, dass man in Bhutan Tieren, mit denen man persönlich nichts zu tun habe, keine Namen gebe.
Phobjikha ist traumhaft, alle Hänge mit braunem, staubigem Seychellengras bedeckt, das fälschlich als Bambus bezeichnet wird, jeder sagt dazu Bambus. Die Gegend sieht aus wie eine riesige Bürste, und was man dann als schönen Ersatz für die fehlenden Kraniche sieht, das sind Wiedehopfe, immer und überall, wer hätte das gedacht, Bhutan, das Land des Spargels und des Wiedehopfs, wenn man das zu Hause erzählt, glaubt’s einem kein Mensch. Und dann kommt der Koch und fragt mich raunend, ob ich einen Yartsa Guenbub haben möchte. Ich frage, was das sei, und der Mann wird noch verschwörerischer und zwinkert mit den Augen. Es sei ein Wurm, der mir guttun würde. Ich werde neugierig. Einer der Bodoländer mischt sich ein, er spricht perfekt deutsch, sogar mit fränkischem Akzent, er hat lange in Bamberg gelebt. Yartsa Guenbub sei kein Wurm, sondern ein Schlauchpilz, der aus dem Kopf von unterirdisch schuftenden Raupen wächst, er ist nur schwer zu finden, auf einer Höhe von 4000 Metern, und dementsprechend teuer, und je rarer etwas ist, desto mehr Wunderwirkung misst man ihm bei. So wird er in der traditionellen chinesischen Medizin als Tonikum angewandt, übersetzt heiße er Sommergras-Winterwurm , aber ich fühle mich gar nicht so schwach und verzichte auf das Myzelmysterium, man sollte ihn lieber an den kranken Kranich verfüttern.
Ich muss zurück nach Thimphu, meine Ampel aufstellen, darum verabschiede ich mich vom Bürstental, von den Bodoländern und wünsche dem Kranich viel Glück.
Im Hotel in Thimphu ist gerade eine Riesengruppe Deutscher angekommen, sechzig Stück, vogelige Frauen mit erloschenen Augen, sogenannte Gewitterziegen, und Männer mit schwimmenden Schultern. Alle halten sich ängstlich an ihren Plastikwasserflaschen fest, abends essen sie dann Darwins Albtraum, den Pangasius, und Chili in Käsesauce, das gibt’s für die bedauerswerten Reisegruppen immer. Ösel ist nicht zu erreichen, also muss ich ohne ihn meine Mission vollenden. Ich nehme die Ampel und gehe ins Örtchen. Zwei lustige Schulmädchen kommen mir entgegen, sie sollen meine Assistentinnen sein. Ich weihe sie ein, wir pflanzen die Ampel auf einen Yakfladen, das verstehen meine Assistentinnen sofort, ein Beweisfoto noch, und ich kann beruhigt abreisen.
Beim Abflug durch das schmale Tal von Paro sehe ich durchs Flugzeugfenster am Talhang eine Kuh stehen, sie kaut stoisch auf einem blauen Pullover. Gibt es ein besseres Bild, um Shangri-La zu veranschaulichen? Oder eines, das mehr Bruttonationalglück auszulösen vermag? Also bei mir geht das.
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Hast noch Käse im Haar
Skipping I left you there skipping
Ripping ropes from the Belgian wharfs
Breathless Beauxillous griffin once removed seemed dwarfed
They’re simple in that they happen to be there
Billy MacKenzie
1980 stellte Joseph Beuys im Museum voor Hedendaagse Kunst in Gent eine Auswahl aus seinem Wirtschaftswerte genannten Werkkomplex aus – in wackligen Eisenregalen drapierte der Schamane mit Hut Grundnahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände aus der DDR, dem Staat, der beschlossen hatte, bis 1980 das Geld abzuschaffen. Speise- und Fischkuchen (kein Kuchen im eigentlichen Sinn, sondern eine Art Saucenbinder),
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