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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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auf der Suche nach dem sagenhaften Shangri-La, dem Land der Leidenschaftslosigkeit, das hier irgendwo sein muss, ein Ort, von dem sogar Heinrich Himmler schwärmte, der es als ein Paradies von Übermenschen sah, noch unverdorben durch die buddhistische Dekadenz. Der Reichsführer SS sandte insgesamt sieben Expeditionen nach Tibet, erfolglos.
    Mein Auftrag hingegen besteht darin, eine Ampel nach Thimphu zu bringen. Das ist mein Beitrag zum Bruttonationalglück, die Stadt ist ja bekanntlich die einzige Hauptstadt der Welt ohne Ampel (beliebte Quizfrage), das heißt, es gab sogar mal eine, und zwar an der Kreuzung Nordzin Lam und Chhoten Lam, da wo der schicke bunte Holzpavillon in der Mitte steht, in dem ein Verkehrspolizist mit weißen Handschuhen und Gamaschen den Verkehr regelt. Vor einiger Zeit wurde der durch eine Ampel ersetzt, aber das fanden die Bewohner nicht so gut, zu unpersönlich, und das Häuschen wurde wieder errichtet, jetzt steht da aufs Neue einer und regelt mit weichen, wischenden, eher uneindeutigen Gesten. Manchmal kommt er auch heraus und macht eine Art Moonwalk, aber direkt als Regeln kann man das nicht bezeichnen, der Verkehr fließt auch so organisch um das Häuschen und um die auf dem Platz liegenden Hunde herum, während immer ein paar Leute dastehen und ihm zusehen, was er da für eine Show aufführt. Er könnte auch mit zwei Handpuppen ein kleines Stück inszenieren, am Verkehr würde das ebenso wenig ändern, und das Publikum bekäme mehr geboten. Aber jetzt bin ich mit meiner Ampel da. Diese Kreuzung ist natürlich tabu, ich muss mir eine andere Stelle suchen, und so wie jetzt in Thimphu gebaut wird, findet sich sicher ein Ort, Thimphu boomt, die Stadt hat einen enormen Zuzug. Mit den Leuten kommen die Autos, und Wohnraum wird gebraucht, was zur Folge hat, dass in kürzester Zeit all die kleinen, eingeschossigen Häuser mit ihren höhlenartigen Geschäften abgerissen und durch mehrgeschossige ersetzt werden, das Ortsbild ändert sich gerade rasant und komplett, und daran ändert auch nichts, dass ein königliches Dekret zu befolgen ist, demzufolge jedes neue Haus traditionelle Elemente aufweisen muss, Erker, Fenster und Dächer einem bestimmten Muster zu folgen haben, selbst wenn dann schauerliche verspiegelte Glasfassaden davorgeklatscht werden, als Zitate einer fragwürdigen Moderne, wie man sie in Dubai, Schanghai und Astana, Kasachstans unheimlicher Retortenhauptstadt, gesehen hat. Und unten in die neuen Häuser kommen Supermärkte rein, die «8-Eleven» heißen, in ihnen wird Snow-Whitex Klopapier, Starkbier der Marke Druk 11000 und getrockneter Yakkäse verkauft, das ist das Einzige, was man der Zerstörung alter Bausubstanz abgewinnen könnte, aber man hat auf Reisen schon mehr gelacht, und der Yakkäse ist steinhart und schmeckt nicht.
    Ich fahre, bevor ich hier meine Ampelmission finalisiere, erst einmal nach Punakha, da muss man hin, da steht ein bemerkenswerter Dzong (Klosterfestung), er gilt als herausragendes Beispiel («Schmuckstück» steht bei Wikipedia) der Klosterarchitektur Bhutans. Man fährt einige Stunden über löchrige Serpentinen, überall staubt es, in ein Autorückfenster hat jemand «Good morning, plez uncle wash me» in den Staub geschrieben. Dauernd kommen einem LKWs der Marke Eicher (ehemalige bayrische Traktor- und Lastautofabrik) entgegen, aus Indien, voll mit Pangasiusfischen vermutlich, die Straßen werden da und dort von tamilischen Straßenarbeitern (Bhotias machen so etwas nicht) geflickt, sie kochen an uralten, wie Insekten aussehenden Teerkanonen Asphalt, alte Plastikflaschen, zu Granulat zermahlen, werden untergehoben, macht den Belag angeblich geschmeidiger. Die Millionen Swarowski-Katzenaugen, die in einem Schwachsinnsanfall in der Mitte der Fahrbahn angebracht wurden, in einem Abstand von zwanzig Zentimetern, und die ein Vermögen gekostet haben müssen, waren bereits nach drei Jahren im Eimer. An den wenigen Tankstellen wird man nicht darauf hingewiesen, dass man nicht rauchen darf, weil Rauchen ja sowieso überall verboten ist (man braucht eine Art Rauchlizenz, illegales Rauchen wird mit bis zu drei Jahren geahndet). Informiert wird man hingegen darüber, dass man bitte vom Telefonieren Abstand nehmen solle. «Please avoid using cell phones while fuelling your vehicles – in order to avoid any kind of fire accident». Gemeint sind vermutlich erhitzte Gespräche. In den Flüssen stehen überall Autos, beliebter Sonntagszeitvertreib:

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