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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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Gomringer gab, der es Lücke gab, Bratfisch erhielt’s, gab’s an Schlicker, der an Fährhahn, Hochwürden schließlich erhob sich.
    »Lasset uns, meine Freunde, zuerst das Wort vernehmen, wie es geschrieben steht im Johannesevangelium, Kapitel |339| zehn, Vers vierzehn.« Also begann Hochwürden. »Es heißt: Ich bin der gute Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt bei den Meinen, wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater. Wir alle, meine Freunde, haben mit Martin Luther oft gehört, daß Gott zweierlei Predigt in die Welt geschickt hat. Die eine ist, wenn man durch Gebote Gottes das Gesetz predigt, das da sagt: Du sollst nicht stehlen, nicht töten, nicht ehebrechen, und dazu droht: Wer das nicht hält, der soll des Todes sein. Das andere Predigtamt ist das Evangelium, das uns sagt, woher man’s nehmen soll, daß man tun könne, was das Gesetz fordert. Es treibt und droht nicht, sondern sagt: Komm, ich will dir zeigen, woher du es nehmen und holen sollst, daß du fromm werdest. Siehe, hier ist der Herr Christus, der wird dir’s geben. Darum sind die zwei widereinander, so wie es Nehmen und Geben, Fordern und Schenken sind. Den Unterschied muß man wohl erfassen.«
    Fährhahn und Gomringer, die Katholiken, blickten still vor sich hin, Balzer und Claussner, die Katholiken, blickten in sich hinein, der protestantische Schlicker lauschte seinem Hirten, Atheist Nimmrodt kritzelte in ein Büchlein, der Minister unterhielt sich leise mit dem Mann der Finanzen, Gutermuth schlief, Bratfisch träufelte seine Tropfen auf ein Stück Würfelzucker. Ehrwürden besah alle wohlgefällig und fuhr also fort:
    »Meine Freunde, wir haben uns zusammengefunden, um im Geiste des Evangeliums das Wohl der Menschen und der öffentlichen Dinge zu beraten, die uns anvertraut sind. Sie alle, meine Freunde, stehen als Männer des Staates und der Wirtschaft an weithin sichtbarer Stelle, beladen mit der Verantwortung um den Frieden und das Gedeihen unseres Gemeinwesens, und eingedenk des Spruches, wie ihn der Apostel Paulus im ersten Timotheus, Kapitel zwei, verkündigt: Siehe, es muß in der Welt Macht geben, damit Friede sei und jeder in Sicherheit seinem Broterwerb nachgehen kann. Denn wenn das weltliche Regiment sein Amt nicht ausrichtet, so |340| frißt der eine den anderen auf, Aufruhr und Bluttat folgen, niemand kann das Seine bewahren.
    Wer kann aber dulden, daß man ihm das Seine nimmt?«
    Man fand allgemein, Ehrwürden spreche gut, aber zu lange. Man war zusammengekommen, um über Lohnreformen zu beraten – die Gewerkschaften hatten die Tarife gekündigt, die Arbeitgeberverbände bislang keine Einigung erzielt. Ehrwürden Prunz, der den Arbeitnehmerausschuß vertrat, mochte sich langsam zum Thema bequemen. Doch der fuhr fort:
    »Was aber sollen wir nun zu den Worten sagen, die so sehr auf die Werke dringen, wenn der Herr im Lukas sechzehn spricht: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon! …
    Immer, meine Freunde, wenn ich am Sonntag nach Trinitatis aus dem Lukasevangelium lese, denke ich diesen Worten nach. Denn seht, wenn Christus spricht: Machet euch Freunde, sammelt euch Schätze und dergleichen, so heißt das: Tuet Gutes, und es wird von selbst folgen, daß ihr Freunde habt, Schätze im Himmel findet und Lohn empfangt. Und es heißt umgekehrt: Die nur auf den Lohn sehen, werden träge und verdrossen, lieben den Lohn mehr als die Arbeit, den Mammon mehr als die ewige Seligkeit. Sowohl das eine als das andere ist also von Übel. Uns aber, meine Freunde, ist anheimgegeben, den rechten Weg zu finden, welcher liegt im Herrn; Gutes zu tun und den gerechten Ausgleich zu finden einem jeglichen.«
    Das Interesse belebte sich. Man ward so recht wieder jung unter Hochwürdens Worten, Hollenkamp malte Männchen aufs Papier, wie er als Primaner getan, der kleine Lücke blendete mit einem Taschenspiegel zur Opposition hinüber, die ohnedies unruhig hin und her rutschte, Fährhahn schaukelte mit dem Stuhl, Bratfisch schnippte Papierkügelchen. Hochwürden setzte zum Schluß an.
    »Lasset mich nun, meine Freunde, um das Verständnis des Evangeliums zu mehren, abschließend auf die Frage kommen, |341| was Mammon sei. Mammon heißt soviel wie Reichtum oder zeitliches Gut, nämlich das, was jemand übrig hat, um dem andern ohne Schaden für sich nützlich zu sein. Unrechter Mammon heißt es nicht, daß es mit Unrecht oder Wucher erworben sei, sondern darum heißt es unrecht, weil es im unrechten Gebrauch ist. Und besonders

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