Run! - Es geht um dein Leben: Thriller (German Edition)
Nein.«
Er starrte sie zehn stumme Sekunden lang an. Entscheidungen, die das ganze Leben verändern. Er beschloss, ihr zu glauben, und flüsterte: »Ja.«
»Dann werde ich Sie erst mal hier rausholen müssen«, sagte sie. »Haben Sie Geduld. Ich komme morgen wieder. Und dann muss ich die Schmiergelder aushandeln. Außerdem müssen wir Ihren Tod vortäuschen.« Sie sagte das so selbstverständlich, als wäre es lediglich der letzte profane Punkt auf einer langen Liste. Zu seiner Überraschung strich sie ihm mit einer behutsamen, fast schon zärtlichen Geste die verfilzten, schmutzigen Haare aus der Stirn. Sie stand auf, verließ die Zelle und verschwand über den feuchten Steinboden des Ganges. Und er blinzelte, als wäre alles nur ein Traum gewesen.
Doch sie hatte ihr Versprechen gehalten.
Aus Scham über seine Zweifel drehte sich ihm fast der Magen um. Du hast immer getan, was notwendig ist, hatte sie gesagt.
Und wieder musste er eine Entscheidung treffen, die sein ganzes Leben beeinflussen würde.
Zehn Sekunden später bog Pilgrim nach rechts ab und lenkte den Wagen acht Autos hinter den Van der Kidnapper, die in Richtung Austin fuhren.
5
Vochek fuhr den Wagen mit Kidwell, Ben und den beiden anderen Männern in Richtung Innenstadt. Der Verkehr wurde immer dichter. Im Norden waren ein paar Straßen von der Polizei gesperrt worden – Ben fiel ein, dass er im Radio etwas von einer Schießerei in dieser Gegend gehört hatte -, und das Gebiet zwischen Austins schicker Second Street und dem Warehouse District mit seinen Restaurants und Clubs wimmelte nur so von Konzertbesuchern, die auf ein Bluesfestival wollten.
Als Vochek auf der Second Street war, lenkte sie den Wagen auf ein Grundstück neben einem alten Backsteingebäude, in der sich ein verlassenes Hotel namens Waterloo Arms befand. Alle anderen Gebäude in diesem Block waren im Zuge der Aufwertung der Innenstadt renoviert oder abgerissen worden. Auf den Straßen mit ihren Restaurants und Musikclubs flanierten gut betuchte Musikliebhaber. Das Grundstück mit dem Hotel war durch einen Maschendrahtzaun abgesperrt, und ein großes Schild verkündete, dass das Waterloo Arms in Kürze zu einem Bürogebäude mit Restaurants umgebaut werden würde.
Tausend Worte steckten in Bens Kehle fest, Argumente, mit denen er seinen guten Namen verteidigen wollte, doch er beschloss, den Mund zu halten. Er wollte erst etwas sagen, wenn er einen Anwalt bekam. Schweigen war die Zuflucht der Stillen und Unschuldigen. Während sie auf das Waterloo Arms zufuhren, traf Joanna Vocheks Blick den seinen im Rückspiegel, und er war nicht sicher, ob das, was er in ihren braunen Augen sah, Mitleid, Zweifel oder Abscheu war.
Die beiden Männer neben ihm steckten ihre Waffen in die Holster unter ihren dunklen Jacketts.
Kidwell drehte sich zu Ben um. »Wir steigen jetzt aus und gehen in dieses Gebäude. Außer uns ist dort niemand. Wenn Sie weglaufen oder schreien, schlage ich Ihnen so heftig ins Genick, dass Sie unter Umständen für den Rest Ihres Lebens querschnittsgelähmt sind. Haben Sie das verstanden?«
Ben bemerkte, dass Vochek wieder in den Rückspiegel sah, als würde Kidwell eine bestimmte Grenze überschreiten, doch sie sagte kein Wort.
»Ja.« Ben fiel der Ehrgeiz in Kidwells Augen auf. Natürlich. Ein wichtiger Fall wie dieser war die Garantie für eine Beförderung. Ein Freund, der Kidwell um Hilfe gebeten hatte; ein Mann, der Unternehmen bei der Aushandlung äußerst lukrativer Verträge berät; und ein sattsam bekannter Auftragsmörder, der die Verbindung zwischen den beiden war. Und wenn Kidwell diesen Skandal ans Licht brachte, würde seine Karriere fortan steil nach oben verlaufen.
Sie stiegen aus dem Wagen. Vochek und Kidwell nahmen Ben in die Mitte, während die beiden Männer in den Anzügen das Tor aufsperrten. Die kleine Gruppe ging unter einer Rolle Stacheldraht hindurch, die Vandalen und Neugierige fernhalten sollte. Die Anzugträger blieben zurück und stellten sich an den Zaun.
Im Waterloo Arms war niemand, doch so, wie es aussah, konnten die neuen Mieter bald einziehen. Kidwell, Vochek und Ben nahmen einen Fahrstuhl, der sie fünf Stockwerke nach oben auf eine fertig renovierte Etage brachte. Sie gingen einen kurzen Korridor hinunter und betraten einen fensterlosen Raum, der mit einem Tisch und drei Stühlen möbliert war. Auf dem Tisch stand ein kleines, digitales Aufnahmegerät.
»Setzen Sie sich«, befahl Kidwell. Ben
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