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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Stirn.
    Das ist also etwas, das er nicht weiß , dachte Arekh. Interessant …
    »Ich habe letzte Woche zahlreiche Tiere geopfert«, erklärte der Arrethas-Priester. »Ich habe selbst in ihren
Eingeweiden gelesen, um nach einer Lösung für das Problem zu suchen, das uns gerade beschäftigt. Die Antworten sind uneindeutig …«
    »Seht Ihr?«, rief Halios. »Die Götter sehen die Lüge! Diese Frau ist eine Betrügerin!«
    »Ich habe gesagt, dass die Antworten uneindeutig sind«, wiederholte der Hohepriester in kaltem Ton. »Wenn ich zu einer Überzeugung gelangt wäre, hätte ich Euch das gesagt.«
    Halios warf Marikani einen hasserfüllten Blick zu; sie sagte kein Wort, sondern beobachtete nur mit zusammengezogenen Brauen den Hohepriester.
    »Aber ich habe etwas anderes gelesen«, fuhr der Priester mit einer Stimme fort, die er neutral zu halten versuchte. »Etwas, das mich so verstört hat, dass ich einen Seher aus dem Großen Tempel von Reynes habe kommen lassen, um meine Visionen zu bestätigen. Wir haben geweihtes Blut getrunken und die gesegneten Dämpfe des Götterkrauts eingeatmet. Wir sind aufs Dach des Tempels gestiegen, um zu lesen, was die Sterne uns mitteilen.«
    Im Graben war es vollkommen still. Arekh spürte, wie Lionor sich neben ihm anspannte.
    »Der Augenblick naht«, verkündete der Hohepriester. »Der prophezeite Augenblick: Und eines Tages wird aus Harabec eine große Flamme hervorgehen, und diese Flamme wird die Königreiche in Brand setzen. Und der Augenblick der Entscheidung wird kommen. Und von dieser Entscheidung wird das Schicksal aller abhängen, und die Vergangenheit wird auf ewig verändert werden, und niemand darf versagen … «
    Die Prophezeiung. Arekh hatte wie so viele andere schon davon gehört, ohne wirklich darauf zu achten. Aber jetzt … Ein seltsames Gefühl nistete sich tief in seinem
Bauch ein. Er hatte nicht gewusst, dass die Prophezeiung so genau und so harsch war: Und diese Flamme wird die Königreiche in Brand setzen … Und von dieser Entscheidung wird das Schicksal aller abhängen …
    Was hatten die Götter für sie aus den Fäden der Zukunft gewebt? Was hatten sie im Sternenalphabet niedergeschrieben? Vor dem Fenster flogen mit heftigem Flügelschlagen und unter heiserem Krächzen schwarze Vögel auf. Arekh erschauerte. Raben, die Boten des Schicksals - und das in der Nähe des Arrethas-Tempels in einem solchen Moment.
    Wie konnte man dieses Vorzeichen ignorieren?
    Der Hohepriester hatte einen Blick aus dem Fenster geworfen, und Arekh sah, wie er blass wurde. Auch er wusste, dass es keine Zufälle gab.
    Einen Moment lang sprach niemand. Marikani dachte mit gesenktem Blick nach. Halios wirkte irritiert von den Neuigkeiten. Plötzlich sprang Harrakin auf und schritt durch den Graben. Er blieb vor dem Priester stehen - gleich weit entfernt von Halios und Marikani. Hatte er das mit Absicht getan? War auch das ein Symbol?
    Aber zum ersten Mal strahlte Harrakins Gesicht keinen Anflug von Ironie aus. Der junge Mann wirkte … besorgt. Betroffen. Aufrichtig, wie Arekh sich eingestehen musste. Harrakin war eindeutig eine noch schillerndere Persönlichkeit als sein Bruder. Und auch schillernder als Marikani. Aber als die junge Frau den Blick hob, bemerkte Arekh in ihren Augen ein Aufblitzen von Stahl, an das er sich zu gewöhnen begann.
    »Vergebt, Hohepriester«, sagte Harrakin, bevor sie sprechen konnte. »Seid Ihr Euch Eurer Interpretation sicher? Habt Ihr noch weitere Seher zurate gezogen? Neue Opfer dargebracht?«

    »Der Seher aus Reynes hat die Bestätigung seiner Amtsbrüder angefordert«, erläuterte der Hohepriester. »Und als der Brief bei mir eintraf, flog eine Sternschnuppe über den Himmel und geradewegs über den Kopf des Gottes hinweg. Ich habe dann die Botschaft geöffnet, um darin all unsere Befürchtungen bestätigt zu finden.«
    »Was die Zukunft auch bringen mag, wir werden uns ihr stellen«, sagte Marikani mit eisiger Ruhe. »Harabec ist stark, und sein Herrscher wird dem Sturm zu widerstehen wissen. Ganz gleich, ob dieser Herrscher nun Halios oder Harrakin heißt oder ob ich es bin. In uns brennt das Blut des Arrethas, und wir werden unsere Feinde das Fürchten lehren. Möge das Schicksal zuschlagen. Ich warte darauf.«
    Der Hohepriester nickte, und Arekh spürte, dass Marikani einen Teilerfolg errungen hatte. Vielleicht würde ihre Reaktion auf die Neuigkeit im Prozess berücksichtigt werden. Vielleicht wurde jede Bewegung der jungen Frau beobachtet,

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