Rune der Knechtschaft
hoch aufgerichtet, umgeben von dreißig Reitern.
Es waren Truppen nach Westen geschickt worden, Arekh wusste nicht, warum. Aber an dieser Stelle war mit einem frontalen Zusammenstoß zu rechnen.
Eine Viertelmeile trennten die vordersten Reihen des Emirs von den ihren. Fahnen flatterten im Wind, Fackeln brannten im Halbdunkel und ließen die Klingen aufblitzen.
Der Nachthimmel war klar, aber das Warten lastete wie eine Gewitterwolke. Es herrschte völlige Stille, wenn man vom Tänzeln der Pferde, vom Klirren der Kettenhemden und Knarren des Leders absah.
Die Zeit schien stillzustehen. In vorderster Linie einer Armee, die auf den Angriff wartete … Arekh begriff auf sehr abstrakte Weise, dass die Wahrscheinlichkeit groß war, dass er in den nächsten Minuten sterben würde. Doch diese Wahrheit hatte kein Gewicht, war nicht fassbar.
Ein Befehl ertönte in den feindlichen Reihen, und die Truppen stürmten brüllend auf sie zu. Harrakin machte eine Handbewegung, und zur Rechten trat eine erste Reihe Fußsoldaten vor und rammte Piken in den Boden. Ein Teil der Angriffswelle wechselte die Richtung, aber die Übrigen drängten voran.
Binnen weniger Sekunden verlor Arekh den Überblick und ertrank in einem Strudel aus Pferden, Schwertern und Schreien. Er schlug nach rechts und links, versuchte, am Leben zu bleiben, während eine wahre Springflut ihm entgegenbrandete und ihm Schmerzenslaute und das Aufeinanderprallen von Metall in den Ohren klangen. Plötzlich fand er sich, ohne zu wissen, wie das gekommen war, in
einen Kampf mit einem schwarzhaarigen Reiter in glänzender Rüstung verstrickt; ihre Schwerter trafen aufeinander, er parierte, schlug zu, parierte wieder, und eine Rückzugsbewegung der Armee schwemmte seinen Gegner von ihm fort. Ein Blick zurück: Seine Männer hielten die Stellung, verloren im Durcheinander. Ein weiterer Reiter hatte einen seiner Offiziere angegriffen. Arekh stürmte schreiend auf ihn zu und spießte den Mann von der Seite auf, bevor dieser auch nur die Zeit hatte, sich umzudrehen. Der Reiter stürzte und wurde von seinem eigenen Pferd niedergetrampelt, während Arekh seines wendete, um sich einem anderen Gegner, einem Nâla, zu stellen … Wo war seine Einheit? Er schien allein zu sein.
Der Nâla schlug als Erster zu und traf Arekh mit einem gewaltigen Hieb an der Brust. Das Kettenhemd rettete ihn, aber er fiel vom Pferd. Als er sah, dass der Nâla auf ihn zuritt, um ihm den Todesstoß zu versetzen, schnitt Arekh in die Beine seines Pferdes, das sich aufbäumte, so dass auch sein Gegner aus dem Sattel glitt. Das Duell ging am Boden weiter, im Staub, während ringsum Soldaten einander erschlugen und beide Gegner Gefahr liefen, im nächsten Augenblick von einem Hieb getroffen zu werden, den sie nicht hatten kommen sehen und der vielleicht noch nicht einmal ihnen galt. Der Nâla traf Arekh an der Schulter, was diesen vor Schmerz aufschreien ließ; zornig führte Arekh einen Gegenhieb und erwischte den Mann mit der flachen Seite der Klinge am Kopf. Der Nâla wich zurück, trat auf einen Leichnam, glitt in Gehirnmasse aus und stürzte auf die Erde, wo Arekh ihn tötete, indem er seinen Körper durchbohrte.
Ein weiteres Zurückströmen: Ringsum leerte sich das Gelände. Arekhs Männer hielten dem Ansturm noch immer stand, hatten von selbst eine neue Formation
angenommen, deren Namen Arekh noch nicht einmal kannte. Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken und seine Unfähigkeit zu bedauern, in einer Armee das Kommando zu führen, deren geheime Zeichen er nicht kannte, als ein neuer Angriff begann. Diesmal rannten Fußsoldaten schreiend auf sie zu und schwangen breite, wuchtige Schwerter; sicher waren das Söldner oder Dienstverpflichtete aus den westlichen Ebenen. Und plötzlich fand sich Arekh in vorderster Linie wieder, umgeben von seinen Männern, schlug zu und schnitt, spürte, wie ihm Schweiß und Blut über die Arme strömten, hackte durch Fleisch, schlug Schädel ein, zerschmetterte Kiefer und Gliedmaßen. All das hatte keinen Sinn, aber er konnte nur noch ans Zuschlagen denken - ans Töten in einem Nebel der Blutrünstigkeit.
Arekh nutzte einen Augenblick der Beruhigung, um sich umzusehen, und bemerkte, dass die Masse der Armee zurückgewichen war und sein Rehali sich an der Spitze befand. Er gab ein Signal zum Rückzug, das zunächst nicht verstanden wurde, bis er »Rückzug!«, brüllte und seine Männer endlich in die Linien zurückwichen.
Wenn es einen Rückzugsbefehl gegeben
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