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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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vielleicht die Verantwortung für das Schicksal eines Volkes ruhte.
    »In mein Zelt«, sagte Harrakin, nachdem er kurz einen Blick um sich geworfen hatte.
    Sein Ton war eher angespannt als aggressiv. Arekh folgte ihm und spürte, wie ein Teil seiner Erschöpfung von Neugier verdrängt wurde. Er trat ins Zelt.
    Um sie herum brandete der Schlachtenlärm so heftig wie eine Springflut weiter.
    Harrakin musterte Arekh, und dieser hielt seinem Blick stand, auf alles gefasst. Schließlich zog der junge Adlige einen Brief aus seinem Wams hervor.
    »Meine Spione haben einen Trupp Soldaten des Emirs tief im Landesinneren gesehen, in der Nähe des Dorfes Palis«, verkündete er.
    Arekh runzelte die Stirn. »Palis?«
    Harrakin nickte. »In der Nähe von Voalag, auf dem Lehen meines Bruders«, erklärte er. »Sie wissen nicht, wie viele genau es sind - fünfzig, vielleicht hundert Mann. Sie trugen eine neutrale Uniform, aber der Spion ist überzeugt, dass es sich um Männer aus Faez handelt … Palis ist keine zehn Meilen vom Palastgelände entfernt, wenn man den Weg durch den Wald nimmt«, fügte er hinzu, als
Arekh keinerlei Reaktion zeigte. »Es wäre leicht für Halios, sie dorthin zu führen.«
    Diesmal begriff Arekh. »Ein Staatsstreich? Halios …? Euer Bruder und die Männer des Emirs?«
    Harrakin wies mit angeekelter Geste nach draußen. »Diese Schlacht ist nichts Ernstes, Morales«, erklärte er, während Arekh sich fragte, was die vielen hundert Männer, deren Leichen morgen auf dem geschundenen Boden verwesen würden, wohl von dieser Einschätzung gehalten hätten. »Wir werden gewinnen. Der Emir hätte schneller und weiter vordringen können. Er hätte mehr Männer schicken können. Das hier ist keine Invasion.«
    Arekh wusste, was folgen würde, bevor Harrakin es aussprach.
    »Es ist ein Ablenkungsmanöver.«
    »Hundert Mann«, wiederholte Arekh und begann, im Zelt auf und ab zu gehen. »Halios. Im Palast gibt es eine Garnison …«
    »Nur die Ehrengarde. Wir haben alle anderen einberufen. Und die Anzahl spielt keine so große Rolle wie das Überraschungsmoment«, erklärte Harrakin. »Halios muss in einem Moment zugeschlagen haben, in dem niemand damit gerechnet hat.«
    »Zugeschlagen haben ?«, wiederholte Arekh, dem aufging, dass Harrakin in der Vergangenheitsform sprach und was das zu bedeuten hatte. »Wann sind diese Männer bemerkt worden?«
    »Vor sechs Stunden. Die Botschaft hat mich gerade erreicht. Ich glaube, dass sie schon dort unten sind.«
    Arekh nickte.
    Harrakin fuhr fort: »Mit guten Pferden ist der Palast nur drei Stunden von hier entfernt. Ich kann nicht dorthin gehen, ich muss dieses Problem lösen.« Er wies erneut
aufs Schlachtfeld. »Und Halios hat nicht allein gehandelt. Jeder könnte sein Komplize sein. Ich kann niemandem vertrauen - nur jemandem, der Marikani gegenüber vollkommen loyal ist.« Er sah Arekh an. »Euch.«
    Kurz herrschte Schweigen.
    Arekh zögerte. »Dann habt Ihr also Eure Wahl getroffen.«
    »Wahl?«
    »Zwischen Eurem Bruder und Eurer Cousine. Ihr habt die Hunde auf sie gehetzt, um sie in den Bergen umzubringen«, sagte er aus dem plötzlichen Bedürfnis heraus, das Geschwür aufzustechen. »Ihr habt versucht, sie dort ermorden zu lassen - und von dem versuchten Meuchelmord an mir will ich gar nicht erst reden.«
    Er musterte Harrakin und suchte nach Lügen, aber der junge Mann versuchte gar nicht, etwas zu verbergen.
    »Natürlich«, sagte er und winkte verächtlich ab. »So etwas spielt doch keine Rolle … Sie war fern, es war der ideale Augenblick für mich, mich ihrer zu entledigen. Das hat nicht funktioniert, umso besser. Marikani ist reizend, und wenn ich es recht bedenke, möchte ich lieber sie heiraten, als mich von meinem Bruder vergiften zu lassen, sobald er auf dem Thron sitzt. Kommt, Morales, Ihr habt doch in Reynes gelebt! So sind eben die Spielregeln, das wisst Ihr genau.«
    So sind eben die Spielregeln. Arekh nickte. Das hatte er auch gedacht, als er an jenem Abend zum Tempel gelaufen war.
    »Aber das hier - das ist kein Spiel mehr.« Harrakins Blick war hart. »Es ist zweitausendfünfhundert Jahre her, dass Harabec geboren wurde. Zweitausendfünfhundert Jahre, seit Arrethas uns geschaffen hat - und niemals hat ein Feind uns überwunden. König für König haben wir alle
Angriffe abgewehrt: Krieg für Krieg, Jahrhundert für Jahrhundert, haben die Emire versucht, Harabec unter dem Vorwand, die beiden Königshäuser vereinen zu wollen, in die Hand zu

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