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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Murufers Missfallen auf sich gezogen hatte und deshalb verflucht worden war, aber man erzählte sich viele Dinge, die die Priester nicht guthießen.
    Zwischen den Kiefern erschienen erste Flecken schmutzigen Schnees und gefrorenen Schlamms. Dann und wann kam böiger Wind auf, und die vier Reisenden gingen unter Qualen weiter; sie pressten die Lippen zusammen, um sie zu schützen, und kämpften gegen starke Schmerzen an, die so heftig waren, als hätte man sie geschlagen. Und dennoch war das noch gar nichts: Die beiden folgenden Tage waren wie ein kurzer Ausflug in die Abgründe, nachdem die Kiefern verschwunden waren und der Schnee die Landschaft so dick bedeckte, dass ihnen die Füße in ihren Sandalen fast erfroren. Marikani und Lionor zerrissen die Säume ihrer Gewänder, um Stoffstreifen zu gewinnen, die sie sich um die Zehen wickelten, um sie zumindest etwas vor der Kälte zu schützen. Nachts ein Feuer zu entzünden, war zur Notwendigkeit geworden; jetzt spielten Blicke von außen keine Rolle mehr. Sie konnten nur durchhalten, wenn sie sich aufwärmen und vor allem etwas Heißes trinken konnten.
    Und dann wandelte sich die Situation noch einmal abrupt. Sie stiegen gerade in eine Bodenfalte hinab, in der rötliche Felsen aus dem Schnee hervorragten, als ihnen auffiel, dass kein Wind mehr blies. Ohne es zu bemerken, waren sie unter den Schutz des Aschegipfels gelangt, der den Nordwind abhielt. Nun, da der Wind fehlte, wurde alles von neuem möglich; die Kälte war fast erträglich.
    Eine gewaltige Hochebene erstreckte sich vor ihnen, übersät mit Matten einer bläulich grünen Wiese, die wie
Miniaturoasen inmitten der Schneewüste lagen und ihr eine seltsame Schönheit verliehen. Im Westen, am Südhang des Berges, führte ein steiniger Pfad zum Pass empor.
    Plötzlich waren sie nicht länger allein.
    Ein Berebeï-Stamm hatte sein Lager in der Nähe des Berges aufgeschlagen, als ob das Gebirge Geborgenheit verlieh. Der Rauch von etwa dreißig Feuern stieg in den eisigen Himmel auf. Die Nomaden gingen als kleine, ferne Gestalten rings um die Lagerfeuer ihren Tätigkeiten nach. Kinder liefen umher; manchmal war helles, fröhliches Kreischen von ihnen zu hören.
    Aus größerer Nähe war zu sehen, dass die dunklen Gewänder der Nomaden in warmen Farbtönen gehalten waren und aus verschiedenen Materialien bestanden: aus Samt, Pelzen, dicker Baumwolle in Tiefrot, Erdtönen oder Rindenfarben. Die Kinder, die den vier Reisenden entgegenliefen, tanzten einen Moment lang - einen echten Tanz mit seltsamem, heiterem Rhythmus - um die beiden Frauen herum, was Mîn zum Lachen brachte; dann eilten die Kinder zu ihrem Stamm zurück.
    Arekh fragte sich, wie sie sich würden verständigen können, und versuchte sich an einige Bruchstücke der westlichen Dialekte zu erinnern, die sich angeblich aus den Nomadensprachen entwickelt hatten - aber die Frage stellte sich gar nicht. Lionor sprach einige Worte Berebeï, und manche Berebeï konnten Bruchstücke der Verkehrssprache. Ein paar Minuten später fanden sich die Reisenden am Lagerfeuer wieder, aßen gebratenen Yams und ein gut gewürztes Ragout. Marikani tauschte einige Geldstücke gegen Pelze, neuen Proviant und die seltsamen Pelzfüßlinge ein, die die Nomaden über ihren Sandalen trugen.
    Arekh beobachtete sie beim Handeln, während er heiße,
stark gezuckerte Dickmilch trank, ein nicht unangenehmes Getränk, das ihn so schnell aufwärmte, dass er vermutete, dass es Alkohol enthielt.
    Er stellte seine Tasse ab; er musste vorsichtig sein, aber ein bisschen Entspannung war durchaus willkommen. Die Nomaden wirkten nicht gewalttätig, und wenn sie es gewesen wären, hätten sie die vier Reisenden wohl gleich bei ihrer Ankunft ausgeplündert, statt sie zum Essen einzuladen.
    Mîn, der neben einem der großen Zelte stand, verständigte sich mit Handzeichen mit anderen Jugendlichen. Die Zeltbahnen waren in den gleichen Farbtönen gehalten wie die Gewänder der Berebeï: hell- und dunkelbraun oder purpurrot. Schwere Teppiche waren auf dem Boden ausgebreitet; daneben standen Kohlebecken, um die herum die Frauen bei der Arbeit waren. Arekh folgte einer von ihnen mit Blicken - sie war von kräftiger Gestalt und groben Zügen, hatte aber ein strahlendes Lächeln. Ihre dunkelbraunen Iriden waren von einer zarten goldenen Linie umgeben. Um selbst solche Augen zu haben, hätten manche Frauen adliger Abstammung wohl getötet …
    Das Leben war auf der Hochebene wahrscheinlich nicht

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