Rune der Knechtschaft
unangenehm. Anstrengend, ja, aber weniger als auf den Bauernhöfen weiter unten, auf den kargen Böden, die Mîns Familie bebaute. Wenn man die Wahl hatte, war es besser, Nomade zu sein, als härter als ein Sklave immer auf dem selben Fleckchen Erde arbeiten zu müssen, bis einem die Zähne ausfielen und die Knochen nicht mehr gehorchen wollten.
Wenigstens gab es hier das Gebirge, das Reisen, den Wind.
»Habt Ihr alles, was wir brauchen?«, fragte er, als Marikani von ihrem Gespräch zurückkehrte.
»Dörrfleisch, trockenes Brot, Dörrobst - und geräucherte Schlange«, fügte sie hinzu und schnitt eine Grimasse. »Damit werden wir wohl fünfzehn Tage lang auskommen. Und das sollte uns erlauben, den Abstieg auf der anderen Seite der Berge zu schaffen.«
Arekh musterte sie schweigend.
»Was?«, fragte Marikani.
»Wir müssen reden«, sagte er schließlich. »Ruft die anderen zusammen; ich werde einen Einkauf tätigen und komme gleich wieder.«
Marikani folgte ihm einen Moment lang mit den Blicken, sicher über das Wort »Einkauf« erstaunt, das unter diesen Umständen vielleicht ein wenig seltsam klang. Arekh ignorierte sie und ging von Zelt zu Zelt, bis er am Rande des Lagers jemanden wiederfand, den er schon bemerkt hatte, als er sein Ragout gegessen hatte.
Der Nomade war hochgewachsen, und sein Alter war schwer zu schätzen. Seine Haut war faltig, aber vielleicht lag das nur an der Kälte und dem Wind. Er blieb stehen, als er Arekh sah und in ihm einen der Fremden erkannte, deren Ankunft er miterlebt hatte.
Neben ihm aßen einige Frauen und alte Männer Hühnchen; sie hockten auf einem dicken, silberbestickten Teppich, der in seinem Luxus auf dem Schnee deplatziert wirkte. Sie unterbrachen ihr Gespräch, als sie Arekh sahen, nahmen es aber einige Sekunden später wieder auf.
Sie klangen eher amüsiert als schockiert. Die Flüchtlinge waren sicher nicht die ersten Fremden, denen die Berebeï begegnet waren; vielleicht wurde der Pass häufiger benutzt, als Arekh angenommen hatte.
Der Gegenstand, der sein Interesse erregt hatte, war mit Lederriemen auf den Rücken des Mannes geschnürt. Arekh verneigte sich leicht zum Gruß.
»Euer Schwert«, sagte er in der Verkehrssprache und ohne unnötiges Vorgeplänkel. »Ich möchte es kaufen.«
Der Mann antwortete genauso direkt - Arekh hatte gewiss richtig vermutet, dass Handel und Austausch mit Nicht-Berebeï für ihn nichts Neues waren. »Was Ihr bieten? Metall an Griff abgenutzt«, antwortete der Nomade, »aber Klinge gut. Ein bisschen schwer.«
Arekh nickte. Er mochte schwere Klingen gern - oder aber sehr leichte, geschmeidige wie Dolche, die sich dazu eigneten, jemandem nachts die Kehle durchzuschneiden. Aber wenn er beim Abstieg vom Gebirge wilden Tieren begegnete, würde Marikanis Dolch nicht ausreichen. Er würde in Höhlen schlafen müssen, und dorthin zogen sich oft auch die großen Bergbären zurück. Gegen sie würde nur eine schwere Klinge helfen.
»Ich nehme sie dennoch. Das Mädchen hat eine Perle«, sagte er und deutete auf den Ostteil des Lagers. »Die Braunhaarige. Sie wird für mich bezahlen.«
Marikani und Lionor waren von den Zelten verdeckt, aber der Berebeï nickte, als verstünde er, von wem Arekh sprach.
»Deine Frau?«, fragte er.
»Natürlich«, sagte Arekh, ohne ein leicht bitteres Lächeln verbergen zu können. »Meine Frau. Sie wird bezahlen.«
Warum nicht? Sie könnte doch meine Frau sein , dachte er, während der Mann das Schwert abnahm, damit er es in der Hand wiegen konnte. Sie könnte es binnen einer Stunde werden: Ich müsste sie nur ein Stück weit wegschleppen, von der Hochebene hinab, sie schlagen und vergewaltigen. Das hätte ich schon zu jedem beliebigen Zeitpunkt tun können.
Seine Frau in diesem sehr archaischen Sinn, ja. Aber seine Gattin? Arekh amüsierte sich einen Augenblick lang damit, sich auszumalen, was für einen Brautpreis eine
Gemahlin wie Marikani ihn den Gebräuchen von Reynes nach gekostet hätte. Keine Königin, natürlich, nur eine Adlige oder sogar eine Frau aus der Mittelschicht, von nicht gerade abstoßendem Äußeren und ihrem Stand entsprechend erzogen. Geistreich, kultiviert, bei so guter Gesundheit, dass sie Kinder gebären konnte. Ein Vermögen - so lautete die Antwort … Die Heirat ihrer Söhne kostete gute Familien ein wahres Vermögen. Aber so war es nun einmal Sitte.
Natürlich stellte sich für Arekh die Frage nicht mehr. Er hatte seit langem seinen Stand und jeglichen Rang
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