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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Stille. Arekh schlich ums Haus herum und entdeckte hinter der Villa einen gewaltigen Käfig aus kunstvoll geformtem Metall, der voller vielfarbiger Vögel und großer Blumen war und auf der anderen Seite auf eine Terrasse im Innenhof hinausging.
    Ein kurzer Hieb reichte aus, die kleine Kette zu zerbrechen, die die Tür verschloss. Arekh betrat den Käfig und schloss die Gittertür sorgfältig wieder. Es wäre schade gewesen, wenn die Vögel entflogen wären, und ihr Geschrei hätte Aufmerksamkeit erregt. Zehn Schritte weiter, dann stand er auf der kleinen Terrasse hinter dem Haus.
    Die Haustür war offen. Arekh trat in ein kleines, dunkles Zimmer - und fand sich von Angesicht zu Angesicht mit einer Frau mittleren Alters wieder, die ein Tablett mit Tee und Gebäck trug. Die Frau ließ das Tablett fallen und öffnete
den Mund, um zu schreien, als Arekh sie gegen die Mauer drängte und ihr eine Hand auf die Lippen presste.
    Ein Geräusch hinter ihm.
    Arekh wandte den Kopf.
    Eine Gestalt stand in der Tür des angrenzenden Schlafzimmers. Die Frau, die außergewöhnlich schön war, konnte noch keine dreißig Jahre alt sein. Ein langes schwarzes Tuch fiel ihr von der Stirn über den Nacken hinab und war um ihre Taille geknotet.
    »Wer … wer seid Ihr?«, hauchte sie.
    Arekh ließ die Dienerin los, die ein Wimmern unterdrückte.
    Das Fenster des Schlafzimmers war geöffnet, und einige Sonnenstrahlen drangen durch die zugezogenen Vorhänge. Die junge Frau hätte nur schreien müssen, um die Wachen zu alarmieren. Eigentlich hätte ihre Religion sie sogar zwingen sollen zu schreien. Sobald sie eingeschlossen war, durfte eine Claesen-Witwe keinen Mann mehr ansehen. Dass einer in ihr Schlafzimmer eindrang, war ein Sakrileg.
    Die Claesen waren nicht zahlreich, lebten aber in den meisten Städten. Ihre Sitten, die die meisten Einwohner der Königreiche für barbarisch hielten, waren sehr streng.
    Dass die junge Frau nicht aufschrie, war die Bestätigung, auf die Arekh gewartet hatte. Die Bestätigung eines alten Gerüchts, des Klatsches, der einst von Senatoren und Sekretären in den Marmorkorridoren des Rats der Fürstentümer weitergetragen worden war. Wenn sie nicht schrie, dann nur, weil Arekh nicht der einzige Mann war, der heimlich die Schwelle ihres Hauses überschritt. Wenn sie nicht schrie, dann vielleicht, weil sie annahm, dass er eine Botschaft von demjenigen brachte, der das Recht hatte, nachts völlig unauffällig hierherzukommen.

    »Meine Dame, mögen die Götter ihren Blick wohlwollend auf Euch ruhen lassen«, sagte Arekh und verneigte sich. »Ich komme im Auftrag des Ratsherrn Viennes. Darf ich Euer Schlafzimmer betreten?«
    Die junge Frau zögerte, aber sie hatte keine Wahl. Sie musste entweder annehmen oder einen Skandal verursachen - und dafür war ihre Position zu prekär. Nach einem letzten Blick auf ihre Dienerin ließ sie Arekh eintreten und schloss dann die hölzernen Fensterläden.
    Arekh schlug die Tür hinter sich zu.
    »Ich habe gelogen, meine Dame«, begann er, und die junge Frau zuckte erschrocken zusammen. »Beruhigt Euch - ich habe es weder auf Eure Tugend noch auf Euer Leben abgesehen. Eure … freundschaftlichen Beziehungen zu dem Ratsherrn erlauben Euch sicherlich, ihm häufig Nachricht zu senden. Ich möchte, dass Ihr ihm einen besonders dringlichen Brief zukommen lasst.«
    Die Claesen musterte ihn mit angstvollen Augen, wie ein Tier, das vom Blick eines Reptils gebannt ist. Arekh seufzte. »Meine Dame, es geht doch nur um einen Brief! Ich versichere Euch, dass er Euch dafür dankbar sein wird. Es handelt sich um eine dringende politische Angelegenheit, und wenn der Ratsherr die Gelegenheit ergreift, die ich ihm biete, könnten die Vorteile für seine weitere Laufbahn ungeheuer groß sein.«
    »Oh.«
    Etwas erhellte sich im Gesicht der Claesen. Arekh hatte die richtige Saite zum Klingen gebracht.
    »Er ist nicht in der Stadt«, sagte die junge Frau schließlich. Sie warf einen Blick auf die Fensterläden, als hätte sie Angst, zu laut zu sprechen. »Er ist … auf dem Gut seiner Frau, in Laï.«
    Laï lag nur dreißig Meilen von der Tränenstadt entfernt.
Arekh überlegte. Mit einem guten Pferd und wenn der Bote sich beeilte …
    »Könnt Ihr ihm die Nachricht dennoch zukommen lassen? Ich glaube, er wird sich beeilen zurückzukehren, wenn er erfährt, was vorgeht.«
    Die Frau holte kurz Atem und nickte dann. »Das kann ich tun. Gebt mir den Brief.«
    »Gleich, meine Dame«, sagte Arekh und

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