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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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deutete auf einen Tisch. »Wenn Ihr mir gestattet, Euer Schreibzeug zu benutzen, wird er in weniger als drei Minuten fertig sein.«
    Und in der Tat war die Botschaft schon geschrieben, getrocknet, aufgerollt und versiegelt, bevor auch nur die Dienerin beunruhigt den Kopf durch den Türrahmen steckte, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Arekh legte der Claesen den Brief in die Hände und nahm sie beim Arm, was sie vor Entsetzen erschauern ließ.
    Arekh ließ sie nicht los. »Diese Botschaft ist von höchster Wichtigkeit«, wiederholte er. »Für den Ratsherrn Viennes - und für andere Personen, deren Leben davon abhängt. Was Ihr in Euren Nächten treibt, berührt mich wenig, meine Dame, und Euer Ruf wird unbefleckt bleiben, wenn der Bote sich beeilt. Wenn dagegen die Botschaft nicht ankommt, werde ich vielleicht geschwätziger …«
    Damit verabschiedete er sich, ignorierte den entsetzten Gesichtsausdruck der Dienerin und ging durch die Voliere wieder hinaus, durchquerte den Garten und stieg an derselben Stelle wieder über die Mauer.
    Die Wachen spielten immer noch Karten; ihr träges Gespräch störte den Frieden des Ortes kaum. Man konnte nicht gerade sagen, dass sie sich durch übertriebene Wachsamkeit auszeichneten. Aber vielleicht waren sie ja gerade deshalb ausgewählt worden.

    Ob Ratsherr Viennes wohl auch jeden Abend über die Mauer kletterte? Oder kam er vielleicht durch einen Seiteneingang? Das wäre unauffälliger und praktischer gewesen …
    Arekh stieg den Hügel hinab und gelangte wieder in die belebteren Gassen der Stadt. Er spazierte an den Kanälen entlang, beobachtete das Kommen und Gehen der Frauen, Bürger und Schiffer. Schon wieder konnte er nur abwarten, aber er war zuversichtlich. Der Ratsherr würde zumindest herkommen, um die Lage in Augenschein zu nehmen.
    Als Arekh seinerzeit für seinen damaligen Arbeitgeber große Umschläge mit kompromittierenden Dokumenten über die Mitglieder der Ratsversammlung der Fürstentümer gefüllt hatte, hatte er nicht geglaubt, dass er diese Informationen vier Jahre später in einer ganz anderen Situation noch einmal brauchen würde.
    Er sah den großen Umschlag mit dem Namen »Viennes« noch geradezu vor sich. »Betrügt seine Frau mit einer Claesen-Geliebten in der Tränenstadt«, hatte Arekhs Arbeitgeber geschrieben. »Vielleicht erpressbar; näher informieren.« Arekh hatte sich näher informiert, aber im damaligen politischen Ränkespiel war Viennes keine besonders wichtige Figur gewesen, und so war keinerlei Erpressung ins Werk gesetzt worden.
    Auf dem Hauptkanal glitten die Wasserfahrzeuge anmutig aneinander vorbei: Segelboote, kleine Fischerboote, Handelsschiffe.
    Warum mischte er sich ein? Arekh schüttelte den Kopf, wie um die Frage zu verscheuchen.
    Warum nicht ?
    Natürlich war das keine ausreichende Antwort, aber er hatte keine Lust, nachzudenken. Und überhaupt war die Stadt trotz der Gefahr schön, das Wetter sonnig und heiter.
Er war in den vergangenen Wochen tausend Toden entgangen, und sein Leben hatte eine seltsame Wendung genommen. Und die Sonne strahlte …
    Schließlich betrat er einen überdachten Basar, besah sich Früchte, Körbe, Girlanden aus Blumen und zu Ehren der Götter verknoteten Zinnbändern. Der Geruch der Gewürze vermengte sich mit dem nach Schlamm, nach frischem Fleisch, Kräutern, Schmutz und Parfüm. Holztreppen führten in ein gewaltiges Zwischengeschoss empor, wo ohne Zweifel ungewöhnlichere Waren verkauft wurden, aber Arekh war nicht neugierig. Sein Geist kehrte zu dem zurück, was jetzt auf dem Spiel stand. Ja, selbst wenn der Ratsherr nicht vorhatte, einen Vertrag auszuhandeln, würde er da sein wollen, um zu sehen, wie sich die Situation zwischen dem Emir, dem Bürgermeister und Marikani wieder auflöste. Und dann … dann musste man ihn vielleicht überzeugen … Arekh erinnerte sich an den Inhalt anderer Dokumente aus dem Umschlag, in denen es um einen Tempelbau ging, bei dem einiges an Schmiergeld den Besitzer gewechselt hatte.
    Aber das war die letzte Karte, auf die er setzen würde, und sie würde ganz sicher nicht nötig sein. Er hatte die Claesen nicht belogen. Wenn Viennes seine Trümpfe richtig ausspielte, würde seine Laufbahn davon profitieren und …
    »Arekh es Morales von Miras«, sagte eine Männerstimme hinter ihm. »Hiermit seid Ihr im Namen der Fürstentümer von Reynes festgenommen wegen Vatermord, Verrat und Meuchelmord!«
    Arekh erstarrte; er hatte den Eindruck, alles Blut wiche

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