Rune der Knechtschaft
plötzlich aus seinen Adern.
Langsam drehte er sich um.
Drei Männer standen vor ihm. Sie trugen die schwarzsilberne
Uniform von Reynes. Er warf einen Blick hinter sich und wusste schon, was er sehen würde - das, was er bereits längst hätte sehen sollen, wenn er besser auf seine Umgebung geachtet hätte.
Zwei weitere Männer, die näher kamen.
Aber er war abgelenkt gewesen, abgelenkt von der Zukunft ausgerechnet in einem Moment, in dem die Vergangenheit ihn einholte.
Er zwang sich zu atmen und seine Gliedmaßen zu entspannen. Die Claesen? Nein, sie kannte seinen Namen nicht und hätte so schnell nichts in die Wege leiten können.
Jahrelang hatte er alles getan, um zu verhindern, dass dieser Moment eintrat. Er hatte Richter und wichtige Verwaltungsbeamte aus Reynes bestochen, Senatoren gewaltige Summen dafür geboten, seine Akte zu unterdrücken, um arbeiten und sich in den Fürstentümern frei bewegen zu können. Am Ende war er sich seiner selbst so sicher gewesen, dass er wieder begonnen hatte, seinen richtigen Namen zu verwenden.
Und als er in Kiranya verhaftet und verurteilt worden war, war es nur wegen einer Kneipenschlägerei gewesen - wegen eines zufälligen, unbedeutenden Mordes. Die Kiranyer hatten sich nicht in Reynes informiert, um herauszufinden, ob gegen ihn noch andere Anklagen bestanden. Warum hätten sie das auch tun sollen?
Der größte der Männer entrollte einen Haftbefehl.
»Ich bin nicht auf Reyneser Territorium«, verkündete Arekh, bevor sein Gegenüber auch nur den Mund öffnen konnte. »Das Urteil betrifft mich nicht.«
Er hatte noch nicht einmal versucht zu leugnen: weder seine Identität noch die Verurteilung. Die Schergen der Reyneser Justiz waren gründlich und unerbittlich. Sie
waren sich bestimmt sicher, die richtigen Informationen erhalten zu haben.
Aber wie …?
Arekhs Verstand arbeitete mit Höchstgeschwindigkeit. Als er damals am Strand an Land gegangen war, war er nur ein anonymer Galeerensträfling gewesen. Niemand hatte einen Grund gehabt, sich für ihn zu interessieren.
Aber er hatte sich entschlossen, Marikani zu begleiten. Und von da an hatte sich die Situation geändert.
Seitdem hatte jeder einen Grund, sich für ihn zu interessieren, herauszufinden, wer er war, in Diensten welcher Macht er stand, welchen Einfluss man auf ihn gewinnen konnte …
Man hatte ihn im Dorf gesehen, bevor sie die Grenze überschritten hatten, dann, bevor sie den Joar erreicht hatten, und schließlich auf den Booten. »Man« hatte sicher seinen Namen in den Akten in Kiranya gefunden. »Man« hatte gesehen, dass er aus Reynes stammte, und daher …
Nein. Das wäre zu schnell gegangen. Er war erst seit vier Tagen in der Tränenstadt. So schnell arbeitete die Justiz der Fürstentümer - diese fürchterliche, zermalmende Maschine - nicht.
Man musste sich schon vorher gefragt haben, wer er war. Vor ihrem Aufbruch in die Berge, sicher gleich, nachdem sie die Galeere verlassen hatten.
Wie?
Der Offizier, der den Haftbefehl hielt, verneigte sich leicht; seine Augen funkelten. »Wie Ihr ohne jeden Zweifel wisst, Eleni «, sagte er mit sarkastischer Betonung auf dem Titel, der dem Hochadel vorbehalten war, »bestehen seit mehreren Jahrhunderten Justizverträge zwischen den Fürstentümern und der Tränenstadt. Wir sind berechtigt, auf verbündetem Gebiet Verhaftungen vorzunehmen, sobald
das Siegel der Billigung erteilt worden ist. Wie Ihr seht, ist das Siegel auf diesen Befehl gedrückt. Folgt uns nun bitte.«
Die beiden anderen Männer waren näher herangekommen und warteten nun drei Schritte hinter Arekh, verstellten ihm den Fluchtweg, wie es in den Handbüchern empfohlen wurde.
In Handbüchern, die Arekh auswendig kannte.
Er spürte eine Welle des Ekels in sich aufsteigen. Das Entsetzen, das ihn gepackt hatte, als er die Anklagepunkte gehört hatte, war grundlos. Es waren nur fünf Männer; er hatte Schlimmeres überstanden.
Nein, es war nicht die Lage an sich. Es waren die Worte. Reynes. Seine Vergangenheit.
Das Ekelgefühl wuchs. Er wusste, was er tun musste. Es gab nur eine Lösung. Ja, er kannte die Handbücher; er wusste, dass die Schergen immer in Fünfergruppen ausgeschickt wurden, um wichtige Verhaftungen vorzunehmen. Wenn eine Gruppe verschwand, benötigte die Verwaltung von Reynes eine gewisse Zeit, um die nächste zu schicken. Es mussten erst die Gründe für das Verschwinden untersucht, Berichte verfasst und neue Männer freigestellt werden. Das konnte Monate
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