Rune der Knechtschaft
Unsicherheiten. Würde Banh die Armee schicken können? Wie war die Lage in Harabec?
Und was, wenn Marikanis Botschaft unbeantwortet blieb?
Ja, man konnte nichts tun, als zu warten.
Das Königreich der Verbannten war ein angenehmer Ort. Das Plätschern des Wassers lullte einen Tag und Nacht ein. Das Essen war abwechslungsreich und schmackhaft, der Lärm der Stadt, die Rufe der Seeleute und die angeregten Gespräche mit den Händlern klangen wie Musik vor dem Hintergrund des Himmels, der Dächer und der Vögel.
Am vierten Tag verließ Arekh unauffällig das Holzlabyrinth und ging an Land.
Das war nicht besonders schwer. Kaufleute fuhren regelmäßig zwischen den Kais und den Booten hin und her, um Handel mit den Verbannten zu treiben; Boote aus dem Norden hielten im Westen der Wasserfläche, um Lieferungen vorzunehmen. Ihre Fracht, die von Seeleuten gelöscht wurde, wurde in großen Hallen auf Pfählen gelagert, die den Söhnen des Joar gehörten. Die Verbannten verkauften sodann die Handelsgüter einzeln an die Stadtbewohner und die Läden der Tränenstadt weiter.
Arekh, der ein zum Turban geschlungenes schwarzes Kopftuch trug, wie es in der Stadt üblich war, half, etwa zwanzig Fässer Wein und Öl abzuladen, und ging dann einfach mit einer Gruppe Bürger an Land, die gekommen waren, um Vorräte einzukaufen. Er überquerte den Steg und trat auf den Marktplatz, ohne dass irgendjemand ihn bemerkte. Als er in den Süden der Stadt aufbrach, warf er einen Blick zur Mitte des Marktplatzes. Zwei Soldatentrupps patrouillierten über das Pflaster, und ein Offizier beobachtete die Boote mit einem Fernrohr, sicher, um zu verfolgen, wohin Marikani jeweils ging.
Das muss eine langweilige Aufgabe sein , dachte Arekh. Marikani konnte nichts tun. Die Situation war festgefahren. Wie im Yani , einem kiranyischen Spiel. Marikani war in Sicherheit, konnte aber ihre Spielfigur nicht bewegen.
Die hatten der Emir und der Bürgermeister eingekreist, ohne sie schlagen zu können … zumindest für den Augenblick.
Was tat man im Yani , wenn solch eine Pattsituation bestand?
Man ließ einen neuen Spieler eingreifen.
Die wohlhabenden Viertel der Tränenstadt lagen weiter oben, auf einem kleinen Hügel, wo die schönen Häuser der Würdenträger vor der Feuchtigkeit geschützt waren. Große Villen verschwanden hinter hohen, in lebhaften Farbtönen gestrichenen Mauern, die Motive aus den Wappen der dort lebenden Familien aufgriffen. Die hohen, geschnitzten Holztüren waren bewacht oder verschlossen; es war unmöglich, dort einzudringen, ohne eine Verabredung oder ein Empfehlungsschreiben zu haben.
Arekh hatte weder das eine noch das andere. Als er die Westflanke des Hügels erreichte, verscheuchte ein kühler Wind die Wolken, und die Sonne strahlte am Himmel und ließ die Farben auf den Mauern funkeln.
Da .
Blaue und grüne Rauten, darauf ein Fries: ein großer, weißer Kreis, der zum Zeichen ewiger Trauer mit schwarzen Streifen versehen war. Arekh blickte sich um, holte Schwung, sprang und zog sich die Mauer empor.
Kein Gebell, keine Schreie von Wachen. Langsam ließ er sich auf die andere Seite gleiten.
Im Garten grünte und blühte es: Beete voll gut gestutzter Blumen umgaben Statuen und kleine Lauben. Nichts sonderlich Originelles: Der Eigentümer hatte nicht viel Platz. Die Stadt war nicht groß - die Villa auch nicht.
Schade. Wenn man schon Gefahr lief, sich zum Zeichen der Trauer für immer einschließen zu müssen, hätte man sich besser das größtmögliche Gebäude aussuchen sollen.
Aber die Frau, die hier lebte, hatte keine Wahl gehabt. Ihr Gatte war in diesem Haus gestorben - also musste sie nach der Tradition der Claesen dort bleiben. Wenn ihr Ehemann den dummen Einfall gehabt hätte, in einer Fischerhütte oder einer Poststation zu sterben, hätte seine untröstliche Gattin dort bis ans Ende ihrer Tage leben müssen.
Arekh tastete sich vorsichtig voran. Das Haus war zwar nicht das luxuriöseste im Viertel, aber es wurde sicher dennoch bewacht. Er warf sich gerade noch rechtzeitig hinter den Stamm einer großen Ulme, um einer alten Sklavin auszuweichen, die einen Früchtekorb trug und auf die große Tür zuging. Die Kette zwischen ihren Knöcheln erlaubte ihr gerade genug Spielraum, um sich vorwärtszubewegen.
Er ging zum linken Flügel des Hauses hinüber und erstarrte. Wachen … drei Männer, die gerade dabei waren, auf den Stufen vor der Türschwelle Karten zu spielen.
Ihr Lachen durchbrach die friedliche
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