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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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schon gehört habt, am Feuer erzählt von irgendjemandem, der steif und fest behauptet, selbst dabei gewesen zu sein - ist die von der jungen, schwangeren Sklavin des Großen Tempels von Kinshara. Auf der Flucht soll sie, verfolgt von Priestern, aufs Dach des Tempels gestiegen sein und auf wundersame Weise einen Pulvervorrat, der dort versteckt war, zur Explosion gebracht haben, so dass die Ayesha-Statue vom Dach des Tempels auf die Verfolger stürzte und sowohl sie als auch den Tempel, das Symbol der Unterdrückung, zerschmetterte. So soll der Mythos von Ayesha, der Befreierin, seinen Ursprung gefunden haben.
    Die zweite Legende zu diesem Thema ist die vom Hauslehrer. Auch er war ein Sklave. Als man ihm befahl, die Kinder seines Herrn zu unterhalten, erzählte er ihnen heimlich in Anwesenheit aller Sklaven des Hauses die Sage von Anayasha, einem männlichen Sklaven, der rebellierte
und grausame Herren tötete. In der Folgezeit soll im Geist des Türkisvolks eine Verwechslung und Vermischung zwischen »Ayasha« dem Rebellen und der Göttin Ayesha eingetreten sein.
    Man erzählt auch, dass vor über dreitausend Jahren, zu dem Zeitpunkt, als die Rune der Gefangenschaft erschien, ein Schamane des Türkisvolks vorhergesagt haben soll, dass die Tochter des Gottes, dessen Namen man nicht nennt, sein Volk nach Jahrhunderten der Sklaverei in die Freiheit führen würde.
    Das Schöne an dieser Geschichte ist, dass man sie in keiner Weise auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann, da die Sprache des Türkisvolks im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen ist. Und natürlich ist es in der Rückschau immer leicht, eine zutreffende Prophezeiung auszugraben.
    Aber spielt der Ursprung des Mythos letztendlich eine Rolle? Was feststeht, ist, dass damals, als die ferne Stadt Salmyra im letzten goldenen Licht erstrahlte, als der Emir und die Königin von Harabec sich wie gewöhnlich ihren unbedeutenden weltlichen Querelen hingaben und die Sakâs, von denen noch niemand wusste, sich nahe der Westlande auf einen neuen Großen Zyklus vorbereiteten, eine dumpfe, heimliche Rebellion in den Herzen der Sklaven vom Türkisvolk schwelte.
    Sie sprachen von Ayesha. Sie warteten auf Ayesha.
    Aber Ayesha war noch nicht bereit.
     
    Pier, Historiker des neuen Ayesha-Volks.
Geschrieben im Lampenschein jenseits des Ozeans,
im größten Turm der Neuen Stadt in den
Wiedergewonnenen Landen.
Jahr 15 des Neuen Kalenders.

KAPITEL 11
    Die ersten Schwierigkeiten stellten sich in Harabec selbst.
    Der Zug hatte gerade eine Brücke überquert und war nur noch drei Meilen vom Palast entfernt. Arekh, der noch nie so weit in den Süden der Königreiche gereist war, hatte ursprünglich angenommen, dass der Palast sich in der Hauptstadt, die ebenfalls Harabec hieß, befinden müsse, aber das war nicht der Fall. Die Stadt Harabec - befestigt und ganz auf den Handel ausgerichtet - war auf einer Hochebene in den Hügeln von Laësa erbaut worden, während der Palast über fünf Meilen entfernt in den fruchtbaren, grünen Ebenen im Herzen des Landes lag.
    Die Atmosphäre war entspannter geworden, seit sie das Territorium der Tränenstadt verlassen hatten. Sie hatten danach eine Reihe kleiner Hochebenen überquert, die, wenn die Krone auch offiziell Anspruch darauf erhob, in Wirklichkeit Niemandsland waren, in dem alles geschehen konnte. So war die Freude bei den Soldaten erst wirklich ausgebrochen, nachdem sie die Grenzposten passiert hatten, deren Wachen bei Marikanis Anblick Beifall geklatscht und gesungen hatten.
    Die Grenze war nicht nur politischer, sondern auch natürlicher Art. Die zerklüftete Landschaft war beinahe sofort nach der Grenze lieblicher geworden; vor den
Ankommenden befand sich heiteres Bauernland: Haine, Felder und Flüsse, an denen wohlhabende Höfe und kleine Städte an gut instand gehaltenen Straßen lagen. Ja, Harabec war reich, der Boden fruchtbar - es war kein Wunder, dass der Handel hier blühte … und dass der Emir und andere mächtige Nachbarn begehrliche Blicke auf das Land warfen.
    Doch trotz der allgemeinen Erleichterung war noch nicht alles geklärt. So stolz und glücklich Leutnant Eydoïc auch sein mochte, die Thronprätendentin in ihr Land zurückzubringen, er hatte keine Einzelheiten über das, was bei Hofe vorging, verraten können oder wollen.
    Marikani hoffte, dass Banh und seine Sekretäre ihr entgegenreiten würden, aber sie wurde enttäuscht. Vor den beiden Statuen des Arrethas, die den Eingang zum Außenbezirk des

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