Rune der Knechtschaft
ersten Ring, im Zentrum, befanden sich die Gärten der Hauptgebäude des Palastes, die Arekh erblickte, nachdem sie an einem letzten Hügel, einem kleinen Tempel und drei darum angeordneten Marmorpavillons vorbei waren.
Der Palast selbst war gewaltig. Er bildete eine wahre Stadt aus ein- oder zweistöckigen Gebäuden aus hellem Stein, ein echtes Labyrinth aus Höfen und Gängen, das zu betrachten Arekh kaum Zeit hatte, bevor sie auf der breiten Kiesfläche des Haupthofs eintrafen. Dort warteten natürlich der Hohepriester und sein Gefolge bereits auf sie - und ein Großteil der Höflinge, die ohne Zweifel erfahren hatten, dass Marikani nicht wie befohlen am Palasteingang haltgemacht hatte, und nun das Spektakel nicht versäumen wollten.
Zwei Adlige - beides Männer - standen rechts und links von Ilisia.
Arekh versuchte zu erraten, welcher wohl Halios war, und entschied sich für den hochgewachsenen, eleganten jungen Mann im purpurnen Wams, dem das rotbraune Haar bis auf die Schultern fiel. Er erinnerte Arekh an den Herrn der Verbannten, vielleicht ohne dessen Erfahrung oder Weisheit, aber mit noch mehr Hitzigkeit und der gleichen Unverbildetheit der Jugend.
Arekh biss sich auf die Lippen, als der junge Adlige Marikani ein strahlendes, ironisches Lächeln schenkte, bevor er sich verneigte. Schönheit, Jugend, Charisma. Wenn das
Halios war, war es nicht erstaunlich, dass es ihm gelungen war, den Hohepriester und einen Teil des Hofes auf seine Seite zu ziehen.
Der Hohepriester, ein hagerer Mann mittleren Alters mit schwarzen, intelligenten Augen, wirkte eher verärgert als angriffslustig. Die Situation gefiel ihm nicht.
»Ayashinata«, sagte er in kaltem Ton nach kurzem Gruß, »ich hatte gehofft, dass Ihr mehr Klugheit unter Beweis stellen würdet. Wenn ich Euch respektvoll gebeten habe, einige Tage zu warten, bevor Ihr hier einzieht, so geschah es nur, um Spannungen zu vermeiden, die« - er warf einen Blick auf die beiden Männer in seiner Begleitung - »unangenehm werden könnten. Es wäre mir lieber gewesen, das Missverständnis zu klären, bevor ich Euch gestattet hätte, Eure Rückkehr mit allen gebührenden Ehren in die Wege zu leiten.«
Marikani stieg vom Pferd. »Ich wollte Euch nicht warten lassen, o Gesegneter des Arrethas - weder Euch noch meine lieben Cousins. Ein Zweifel nagt an Euch, und ich bin hier, um ihn auszuräumen. Ihr kennt uns ja - uns Kreaturen der Abgründe«, sagte sie an ihre Höflinge gewandt. »Wir können einfach nicht abwarten.«
Lachen schüttelte die Menge der Adligen, und eine Frauenstimme rief: »Erschlag ihn mit einem Blitz, Marikani!« Damit spielte sie auf die Beherrschung des Feuers an, die angeblich den Gespenstern zu eigen war. Das Lachen ertönte noch lauter, und Arekh entdeckte die Frau, die gesprochen hatte: eine Schönheit mit sehr dunkler Haut und schelmischen Augen, deren langes, schwarzes Haar mit Perlen und Goldketten geschmückt war.
»Nun, Halios?«, fuhr Marikani fort. »Wessen genau bezichtigst du mich?«
Sie sah nicht den jungen Mann im purpurnen Wams an,
sondern den, der auf der anderen Seite stand, einen gut zehn Jahre älteren Mann.
Arekh hatte sich getäuscht. Halios war etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt, hatte kurzes Haar und einen stechenden, harten Blick.
Dann wandten sich Marikanis Augen dem jungen Adligen im Purpurwams zu, und irgendetwas ging zwischen den beiden vor. Herausforderung, Lachen, Begehren … gegenseitige Anerkennung, Rivalität. Der junge Adlige grüßte sie mit schalkhaft funkelnden Augen erneut.
Dieser Mann ist ihr Liebhaber , begriff Arekh plötzlich mit schmerzlicher Klarheit, und eine schwarze Welle unerwarteten Leids brach über ihn herein.
Einen Moment lang glaubte er sich auf das Boot zurückversetzt, als er begriffen hatte, mit wem er es zu tun hatte, und eine kaum geborene Hoffnung Hass gewichen war.
Er hielt sich nicht damit auf zu überlegen, was diese Gefühle zu bedeuten hatten. Er hatte schon vor langer Zeit begriffen, was es damit auf sich hatte. Oft war man zwar blind, wenn es um einen selbst ging, aber das war bei Arekh in dieser Hinsicht nicht der Fall.
»Wenn du wirklich meine Cousine bist, werfe ich dir nichts vor, schöne Marikani«, sagte Halios. »Dann werde ich dich mit Freuden und in Liebe wieder im Palast willkommen heißen.«
Einige Höflinge lachten aufs Neue, aber der Hohepriester brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.
Halios fuhr fort: »Das Nachrichtennetz, das Harabec
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