Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge

Vom Netzwerk:

Frösche am Teich quaken. Irgend etwas stimmte nicht.
    Und dann bemerkte ich, was ich tat.
    Ich rieb mir Arme und Schultern, wie man es im Spätherbst tut, wenn die Kälte ohne Warnung zuschlägt und der Mantel nicht warm genug ist. Noch vor fünf Minuten hätte man die Hitze und Feuchtigkeit schneiden können, so dick waren sie. Und nun schien die Temperatur um fünf oder zehn Grad gefallen zu sein.
    Und das war definitiv nicht in Ordnung.
    Ich glaube, Phil und Rick wollten gerade eine Bemerkung dazu loswerden, als der Wind uns traf. Ein eisiger Luftstoß peitschte uns aus der Richtung des Waldes. Novemberluft, kalt, frisch, fast betäubend. Nordluft.
    »Du liebe Scheiße!« rief Phil in den heulenden Wind. »Was ist denn das?«
    Ricks Haar war eine wirbelnde Masse. Er strich sie aus den Augen. Wir liefen gleichzeitig zum Auto. Phil klemmte sich hinters Steuer und startete. Ich fiel auf den Beifahrersitz. Rick nahm sich genug Zeit, um den Müllsack aufzuheben. Der ewige Wächter der Natur.
    »Vergiß das!« brüllte Phil.
    Rick stand auf mit dem Sack in der Hand. Erst sah er uns an, dann das Wäldchen. Sein Kopf neigte sich zur Seite, und sein freier Arm erhob sich, als wolle er uns etwas zeigen.
    »Laß den Scheiß und komm schon! «
    Rick warf den Sack in Richtung der Bäume, eine Geste, die auf komische Weise herausfordernd aussah. Leere Bierdosen flogen herum und fingen das Mondlicht ein, bevor sie zu Boden fielen. Rick sprang auf den Rücksitz, und Phil gab Gummi, noch bevor die Tür zu war. Wir wendeten in der Sackgasse und schossen die Ausfahrt hoch. Wir blickten alle zurück, und ich weiß nicht, warum, doch jeder von uns erwartete, daß etwas Riesiges und Schreckliches uns aus dem Hain nachkommen würde, mit zornig roten Augen und Gebrüll.
    Phil fuhr uns auf die Route 37 in südlicher Richtung, bevor einer von uns ein Wort sprach. Er wandte sich zu Rick um und fragte: »Was hast du dort angestarrt, kurz nachdem du den Sack aufgehoben hattest?«
    »Ja«, sagte ich. »Du wolltest uns etwas zeigen.«
    »Vergeßt es«, sagte Rick, der versuchte, sein Haar in Ordnung zu bringen. Er war der mit Abstand zerzausteste von uns. »Da war nichts.«
    Ich griff ein Bier und hielt es ihm außer Reichweite vor die Nase. »Komm schon, erzähl.«
    Rick seufzte. »In Ordnung, aber versprecht mir, nicht zu lachen.« Er runzelte die Stirn und sah mich dann an. »Es dauerte nur eine Sekunde, nicht länger. Aber ich habe gedacht, etwas Großes mit Pelz zu sehen – wie ein Bär oder so.«
    Phil blubberte und machte einen übertriebenen Versuch schallenden Gelächters. Dann drehte er die Lautstärke des Kassettenspielers nach oben – die ultimative Beleidigung.
    Rick sank im Rücksitz zurück, und ich fühlte ein sonderbares Verständnis für ihn. Denn ich wußte genau, wie es ist, etwas gesehen zu haben, das sonst niemand glauben würde. Es ist das einsamste Gefühl der Welt.

8.

    Zwei Tage später. Sonntag. An jenem Abend war ich zum Grillen bei Phils älterer Schwester und ihrem Mann eingeladen. Sie waren ziemlich bekannt für ihre Barbecues. Sie servierten stets acht Tonnen Rippchen mit hausgemachten Saucen und Kohlsalat mit Bohnen und Brot, und die decadents im alten Rom hatten es wohl kaum besser gehabt. Der einzige Unterschied lag darin, daß diese Orgien gefeiert hatten und wir Volleyball spielten.
    Sie lebten am Nordrand der Stadt, und als ich mich der Abzweigung zu ihrem Haus näherte, stieß ich auf die Vergangenheit. Ich wußte, wo ich zuerst hin mußte.
    Ich glaube, daß es diese Neugier mehr als alles andere war, die mich dazu brachte, wieder nach Tri-Lakes zu fahren. Sonntags fühlte ich mich wie ein Esel, weil ich Freitag nacht meine Phantasie mit mir hatte durchgehen lassen. Eine Brise Wind, die nicht zur Jahreszeit passen mag, und schon sind unsere Nerven hinüber.
    Es war noch viel Tageslicht übrig, als ich ankam, obwohl ich mir nicht sicher war, was ich dort zu finden erwartete. Ich hielt den Wagen an und wanderte umher. Alles schien völlig normal, da waren Vögel und Käfer im Überfluß, und im Teich planschten die Fische. Idyllisch. Ich traute mich sogar, in das Wäldchen zu gehen. Die Bäume und das Unterholz waren dicht, manchmal verwachsen, so daß das meiste Licht außen blieb und der Hain im Inneren dämmrig war.
    Ich drang tiefer vor und trat abgebrochene Zweige und Kletterranken zur Seite. Säulen aus Sonnenlicht fielen schräg durch die Baumkronen wie Scheinwerfer auf eine Bühne.
    Als ich am