Rune
hatte nicht wirklich betrunken gewirkt, jedenfalls nicht so, um kübeln zu müssen. Doch es wirkt immer verschieden auf unterschiedliche Leute.
»Können wir jetzt fahren?« fragte er sanft.
»Sicher«, sagte ich.
Auf dem Rückweg entschuldigte ich mich. »Wenn ich’s heute nacht übertrieben habe, tut mir das leid. Ich weiß, daß das nicht lustig ist.«
»Mach’ dir keine Sorgen.« Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, und je weiter wir uns von Tri-Lakes entfernten, desto besser schien es ihm zu gehen. »Wir müssen irgendwann mal wieder dorthin fahren.«
11.
Am nächsten Wochenende, dem letzten im Juni, waren sowohl Phil als auch ich für Freitag verabredet. Ich mit Valerie und Phil mit Connie Browne. Für Rick würde es ein Abend ohne Dame sein, vermutlich allein. Nun, nicht völlig allein. Er hatte seine Gitarren.
»Du siehst gut aus heute abend, Val«, sagte ich, als ich sie in dieser Nacht das erste Mal ansah, und ich mußte dafür nicht einmal meine Phantasie anstrengen. Sie trug weiße Hosen und eine blaue Seidenbluse. Ihr Haar war offen, wie ich es am liebsten mochte. Sehr wenig Schminke; sie benötigte keine. Ich fühlte mich etwas schäbig neben ihr in meiner Levis und einem Frotteehemd.
Valerie lächelte, wobei ihre Nase sich kräuselte. »Danke.« Kein Gegenkompliment. Na gut. »Ich habe mich heute in die Sonne gelegt. Findest du, daß ich braun werde?« Sie hielt ihr Kinn hoch und zupfte am Rand ihres Kragens, so daß ich einen weit tieferen und hochgeschätzten Einblick in ihr Dekollete erhielt.
»Oh ja. Ziemlich braun.« Laß die Hände am Steuer, Chris.
Sie ordnete ihre Bluse wieder und spielte dann mit der Schulabschlußquaste, die frisch vom Rückspiegel baumelte; sie hatte noch ein ganzes Jahr vor sich. »Wohin fahren wir heute abend?«
»Na, ins Kino. Als wüßtest du nicht, daß heute der neueste Stallone-Film anläuft.«
»Sehr schön!« Valerie liebte es, Stallone beim Schwitzen zuzusehen. Darauf war ich nicht eifersüchtig; meine Männlichkeit war nicht bedroht. Jedenfalls so lange nicht, wie er in sicherer Entfernung auf der Leinwand blieb.
Wir kamen gerade im Kino an, als die Lichter ausgingen, und die nächsten neunzig Minuten beobachteten wir Sly Stallone dabei, wie er sich durch seine neueste Version des amerikanischen Traumes kämpfte. Ich ging immer in seine Filme, egal, was die Kritiker auch schrieben. Ich hatte dann stets das Gefühl, auch erst zuschlagen und danach erst Fragen stellen zu können, etwas mit meinem Leben anfangen und es zu etwas Besonderem formen zu können. Trotz der Tatsache, daß ich mich nie für etwas Besonderes hielt. Im Gegensatz zu Rick. Oder Aaron.
Als die Lichter wieder angingen, entdeckte ich, daß wir nur zwei Reihen hinter Phil und Connie gesessen hatten. Große Geister denken gleich. Phil sah in Richtung Ausgang, erkannte uns erst nach zweimaligem Hinsehen.
»Ich hab’ nicht nach einer Anstandsdame gerufen«, sagte er.
»Scheiß auf die Anstandsdame. Ich dachte, du würdest einige Ratschläge benötigen.«
Wir standen im Mittelgang. Connie machte Val Komplimente über ihre Kleidung, und schon schweiften sie vom Thema ab, in ein Land der Sprache, das kein Mann kennt. Egal. Was die konnten, konnten auch wir.
»Na?« fragte ich, hob meine Brauen und grinste.
Er lächelte schwach und zwinkerte. »So weit, so gut.«
Ich klopfte ihm auf die Schulter, was er sofort unterband, vermutlich weil er nicht wollte, daß Connie mitbekam, wie über sie im Jägerjargon geredet wurde. Was natürlich ganz allgemein eine ziemlich miese Angewohnheit ist, ich weiß, doch bei uns schien es irgendwie edler.
Dann überraschte Phil mich mit etwas, was ich nicht erwartet hatte. »Wollen wir vielleicht alle gemeinsam was unternehmen? Für eine Stunde oder so?«
»Bist du dir sicher? Vier sind ’ne Menge Leute, weißt du.«
Er wischte das Argument beiseite. »Mach’ dir darüber mal keine Sorgen. Vielleicht haben wir nicht mehr viele Gelegenheiten, so was zu machen.«
Also quetschten wir uns in mein Auto. Phils Wagen stand außer Frage. Der schäbigste Rücksitz, den ich je gesehen hatte, was für Rick in Ordnung war, doch ich wollte es Val nicht zumuten, daß irgendwas ihr Bein hochkroch. Unsere Stadt bot nicht viel für Leute unseres Alters, also führen wir einfach drauflos. Die Mädchen in eine Bar zu schleppen war zu riskant, und sie stimmten gegen meinen Vorschlag, etwas im Schnapsladen zu kaufen.
Es war Phils Idee, sie nach Tri-Lakes zu
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