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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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ich trieben uns nach dem Abendessen noch im Garten herum. Es dämmerte, und die feuchte Kühle der Oktobernacht setzte ein. Irgend jemand in der Nähe verbrannte Laub, die Luft war vernebelt vom Rauch. Ich schloß die Augen und atmete ihn ein, den Duft des Herbstes.
    »Weißt du noch, wie wir früher jeden Samstag Laub geharkt haben?« fragte Aaron und trat nach einem Häufchen gefallener Blätter. In diesem Herbst waren er und Mom die einzigen, die hier Laub aufsammelten.
    »Klar«, sagte ich. »Du warst immer sauer, weil du gedacht hast, das Laub aus allen Höfen würde in deinen Bereich geweht werden.« Dann lachte ich. »Weißt du noch, wie du einen Anfall gekriegt hast, weil ich auf deinen Haufen gesprungen bin, und wie du dann angefangen hast, mir Blätter in Hemd und Hose zu stopfen? Ich hatte nachher ’nen halben Baum in der Unterwäsche, bevor du aufgehört hast. Es hat den ganzen Tag gejuckt.«
    Er kicherte und zog einen Pullover an. »Jetzt ist das alles meine Arbeit.«
    »Ich kann dir morgen helfen, wenn du willst.«
    Aaron sah auf vom Laub, mir in die Augen. »Wirklich?«
    »Ja. Versprich mir nur, das Laub aus meiner Hose zu lassen.« Ich stopfte die Hände in die Taschen und sah mich auf dem Hof um. Betrachtete die Rückseite des Hauses und den dürren Arm der nutzlosen Fernsehantenne an der Seite des Dachs. Wir hatten schon seit Jahren Kabelanschluß, und ich konnte Dad nicht dazu bewegen, das Ding zu entfernen.
    Aber ich machte Ausflüchte …
    »Hast du meinen Brief letzte Woche erhalten?« fragte ich schließlich.
    »Du meinst den über Tri-Lakes?«
    »Genau den.«
    »Ja, hab’ ich.« Er hörte sich nicht beunruhigt an. »Aber ich weiß gar nicht, was du hast. Als wir dort waren, ist nichts geschehen.«
    »Weißt du nicht mehr?« fragte ich. »Rick verlor dort … nun, er ist dort oben verschwunden. Spurlos. Und das ist nicht das einzige, was da passiert ist. Willst du auch im Polizeibericht enden?«
    Aaron ging einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. »In Ordnung, ich gebe -«
    Bedräng’ ihn nicht zu sehr … »Warst du seitdem noch mal da?«
    »Nein.«
    »Gut so. Bleib’ einfach weg davon. Bitte.«
    »Klar, wenn du es willst.« Er hörte sich so beiläufig, so unschuldig an.
    Ich nahm ihn an den Schultern. »Bitte, Aaron. Versprich es mir.«
    Ich glaube, daß ihm da zum ersten Mal dämmerte, wie todernst ich es meinte. Er nickte langsam und nahm seinen Blick nicht von meinen Augen. »Ich verspreche es. Du meinst das richtig ernst, nicht wahr?«
    »Völlig ernst.« Und dann ließ ich ihn los, und der Zauber des Augenblicks war gebrochen. »Aber genug jetzt davon. Was hast du heute abend vor?«
    »Mitch und Hürdenspringer holen mich später ab, und dann gehen wir zum Spiel. Bobby kommt nach.« Aaron kicherte. »Er muß sich erst noch einen Anzug für das Fest morgen abend kaufen. Hauptsache, bis zur letzten Minute gewartet. Und du? Gehst du auch hin?«
    »Sieht ganz so aus.«
    Alte Gewohnheiten sterben langsam.
     
    Homecoming war ein Ereignis, das fast allgemeine Aufregung hervorrief. Am Schulball waren nur Schüler der Oberstufe teilnahmeberechtigt, und am jährlichen Valentinstanz, zu dem die Mädchen die Typen einluden, blieben viele Leute allein. Doch Homecoming war ein Fest für alle. Und die Mount Vernon Rams, unsere Footballmanschaft, waren die Könige.
    Die Feierlichkeiten begannen am Donnerstagnachmittag mit einem Festakt auf dem Footballfeld. Die Spieler zogen sich an und ließen das Publikum sich heiser brüllen, und die Cheerleader hüpften herum und sangen ihr Zeug, und dann kam eine Cheerleaderin mit der Puppe eines Spielers der gegnerischen Mannschaft. Ein Hemd und Footballhosen, ausgestopft mit alten Kissen, mit einem Perückenständer aus Styropor als Kopf und Zahnstochern als Haaren. Diese arme Puppe wurde herumgeschleudert und geschlagen, sehr zum Vergnügen der Zuschauer. Ein Wasserturm auf Giraffenbeinen erhob sich neben dem Parkplatz und dem Sportplatz der Schule und sah aus wie aus einer Geschichte von H.G. Wells.
    Jedes Jahr kletterte in der Nacht zum Freitag eine unerschrockene Seele dort hoch und hing die Puppe auf, um sie im Wind baumeln zu lassen. Es war ungesetzlich, auf den Turm zu klettern, also mußte es heimlich passieren. Letztes Jahr war ich das Wagnis eingegangen.
    Phil und ich kamen gerade vor Spielstart auf dem Parkplatz an. Wir schlossen den Wagen ab und gingen auf den Platz. Ich blickte zurück und lächelte dem Wasserturm und der Puppe zu,

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