Rune

die sanft vor einer blauschwarzen Kulisse dunkler Wolken baumelte. Sie hing dieses Jahr niedriger als sonst. Der Kletterer dieses Jahres war wohl ein Weichei.
    Im Innern hielten wir uns in der Nordzone auf, wo die meisten Schüler und Studenten herumhingen. Es war schön, sich seinen Weg durch die Masse zu bahnen und die Neuigkeiten aus dem Leben von Menschen zu erfahren, die ich seit letztem Frühjahr oder Sommer nicht mehr gesehen hatte. Die Menschen, denen man immer sagt, daß man auch nach dem Abschluß in Verbindung bleibt, die man aber schon im August nicht mehr so vermißt, wie man gedacht hat.
    Die Menge murrte. Noch acht Minuten Spielzeit, und die gegnerische Mannschaft, die Rangers, führten. Auf dem Spielfeld fing die Kapelle an, die Titelmelodie von Rocky zu zerstückeln.
    Wir arbeiteten uns auf einem Schlangenpfad zur Seite voran, und dann griff Phil mich am Arm und wies auf eine einsame Figur vor uns, mit zerzaustem Haar in einem gelben Regenmantel. Der ausgebrannte Lehrer Ben Goddard persönlich.
    Phil und ich gingen rüber, um ihn zu begrüßen. Er aß ein großes Stück Schokoladenkuchen, das er in einer Serviette hielt, und als er uns sah und lächelte, waren seine Zähne mit Puderzucker überzogen. Er wischte sich die Hände an der braunen Kordhose ab und streckte sie uns entgegen.
    »Wie geht’s dir auf dem Andrews College?« fragte er Phil.
    Phil nickte enthusiastisch. »Ich kann nicht klagen. Natürlich ist es eine Hilfe, den hier bei mir zu haben.« Er wies mit dem Daumen auf mich.
    Mr. Goddard hob eine Augenbraue. »Oh je. Allgemeiner Wahnsinn. Also auch du?«
    »Es schien mir das Richtige zu sein.«
    Mr. Goddard verdrehte die Augen und krümmte sich in gespieltem Entsetzen. »Ich bin nur froh, daß ich nicht mehr dabei sein muß, wenn ihr beide diese Schule umkrempelt.«
    »Wir benehmen uns. Nur eine Orgie ist uns aus den Händen geglitten, aber das war nicht unsere Schuld.« Phil wies auf den neuen Bart in Goddards Gesicht, der seit zwei Wochen zu wachsen schien. »Lassen Sie ihn wieder wachsen?«
    Er kratzte an seinem Hals und schnitt eine Grimasse. »Dafür ist gerade die richtige Jahreszeit. Ich spüre den Winter kommen.« Er grinste sein Schokoladengrinsen und rieb sich die Wangen. »Er muß noch dichter werden, es wird ein harter Winter.« Er nahm noch einen Bissen von seinem Kuchen, blickte dann finster auf den Rest in seiner Hand. Er bot uns davon an, und Krümel fielen auf den Boden. »Will das jemand?«
    Phil und ich lehnten ab.
    »Sehr klug. Ich habe das am Kuchenstand der Kapelle gekauft.« Er zeigte auf drei Stände, die beladen waren mit Kuchen, Plätzchen und Dingen, die sich jeder Beschreibung entzogen. »Die können auch nicht besser backen als spielen.« Er sah sich argwöhnisch um, formte dann eine Kugel aus der Serviette und ließ sie zu Boden fallen. »Wenn jemand fragt, die war schon vorher da.«
    »Schreiben Sie noch?« fragte Phil.
    »Nein, nicht viel.« Er trat gegen die Kuchenkugel und ließ sie in einem Wald aus Beinen verschwinden. »Vor einigen Monaten habe ich eine Geschichte vom Atlantic zurückbekommen. Sie haben einige nette Anmerkungen dazu gemacht, die mich wohl ermutigen sollten. Aber trotzdem war es eine Ablehnung. Seitdem habe ich nicht viel geschrieben.« Dann verbesserte er sich: »Eigentlich gar nichts.«
    Er starrte ins Leere, und ich sah den Mann, den die anderen Schüler den ausgebrannten Ben genannt hatten. Was traurig war, denn wenn man nahe genug hinsah, waren es keine Drogen. Es war auch kein mentaler Rückzug, um andere Menschen zu beobachten, es war eine stille Verzweiflung.
    Die Masse jubelte; unsere Mannschaft, die Rams, punktete doch noch. Noch mehr Jubel, als sie die Führung übernahm. Wir blieben noch eine Weile bei Goddard, bis seine Frau Nancy kam, dann verabschiedeten Phil und ich uns und gingen den Weg zurück, den wir gekommen waren. Wir fanden eine Stelle, wo wir uns hinhocken konnten, um dem Spiel zuzuschauen, und die erste Hälfte endete mit den Rams 14 zu 13 in Führung. Ich hätte ein völlig verpatztes Spiel einem halbherzigen vorgezogen, aber egal. Die Kapelle übernahm das Feld und gab ein Potpourri aus Beatles-Stücken zum besten. John Lennon drehte sich im Grab um.
    Kurz nach Anfang der zweiten Halbzeit sah ich drei weitere bekannte Gestalten in der Menge. Der schlanke Umriß meines Bruders, der stämmigere seines Freundes Mitch und die gewaltige Masse von Hürdenspringer Horton. Ich hätte sie so gern weitergehen lassen,