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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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aber Hürdenspringer sah uns und konnte es natürlich nicht lassen, uns seine Grüße entgegen zu brüllen.
    Phil stöhnte. »Ich hätte ein glückliches Leben führen können, ohne ihn je wiederzusehen.«
    »Hallo, hallo, hallo!« schrie Hürdenspringer und schlug mir auf den Rücken. Die Wucht warf mich fast um, und ich fragte mich, ob er wohl trainiert hatte, um etwas von seinem Fett durch Muskeln zu ersetzen. Dann schüttelte er Phil die Hand, und ich sah, daß Hürdenspringers Hände sehr rissig aussahen, rot und rauh. Meine eigenen hatten nach stundenlangem Geschirrspülen bei Chuck Wagon ähnlich ausgesehen. Hürdenspringer hatte wohl doch keinen Job?
    »Ich habe euch ja schon seit Monaten nicht mehr gesehen!«
    »Wir hatten zu tun«, sagte Phil. »College, weißt du.«
    »Genau wie Aaron sagt.«
    Dann bemerkte ich, daß sie unvollständig waren. »Wo ist euer vierter Musketier?«
    »Es scheint, daß der Nasenbär uns versetzt hat«, sagte Mitch. Er drehte sich um und brüllte etwas auf den Platz, und ich stellte fest, daß er für einen Sechzehnjährigen schon einen ziemlich starken Schnurrbart hatte. Bald würde er für die Schnapsläden alt genug aussehen. Was hieß, daß Hürdenspringer wohl bald wieder einsam sein würde.
    »Ich habe auf dem Parkplatz auf ihn gewartet«, sagte Hürdenspringer und fischte einen kleinen Napfkuchen aus der Tasche seines Kapuzenpullis. »Seine Mutter läßt ihn wohl jeden Anzug im Laden anprobieren.« Er lachte laut, bis er sich den Mund mit dem Kuchen stopfte.
    Die Rams landeten einen Touchdown. Es stand 20 zu 13. Die Menge brüllte, und die Kapelle ließ einen Fanfarenstoß vernehmen.
    »Gehst du morgen zum Fest?« fragte ich Mitch.
    Er lächelte amüsiert und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nichts für mich. Ich habe ’ne normale Verabredung. Das ist sehr viel billiger.«
    »Also, für mich ist das auch nichts«, sagte Hürdenspringer und leckte sich die Finger ab. »All die Arschlöcher in Anzug und Schlips, die Blumen kaufen und Daddys Auto fahren, um eine kleine Fotze zu beeindrucken.«
    Aaron fing an, mit Mitch zu reden, als hätte er das nicht gehört. Doch Phil stand auf und griff sich Hürdenspringer am Kragen. »Ich gehe dort morgen abend hin.«
    Der Verlauf von Hürdenspringers Geschichte nahm in jenem Moment eine abrupte Wendung. Der Chuck Horton, den wir bislang gekannt hatten, wäre sofort in sich zusammengesunken und hätte sich in einem fort entschuldigt. He, du weißt doch, daß das nur ein Witz war. Dich habe ich nicht gemeint, Phil, wirklich nicht, ich habe nur Spaß gemacht, was ist schon ein kleiner Spaß unter Freunden, oder, ha ha ha.
    Doch Hürdenspringer blieb standhaft. Er streckte sein Kinn arrogant vor und schlug bedächtig Phils Hand weg. Und dann stand er angespannt und wie elektrisiert da, und seine Kiefer waren fest genug zusammengepreßt, um Walnüsse zu knacken.
    Ich weiß, daß Phil überrascht war. Er wich zurück und stand mit gerunzelter Stirn neben mir. Er schien sich vor Hürdenspringer, aber auch vor sich selbst zu ekeln.
    Die Führung des Spiels ging wie ein Ping-Pong-Ball hin und her, und die Zuschauer standen kurz vor der Hysterie. Als die Rams dann einen Touchdown auf den nächsten folgen ließen, fielen alle in eine zögernde Ruhe. Nur noch zwei Minuten Spielzeit, und die Rangers hatten keine Trümpfe mehr im Ärmel.
    Dann spürte ich eine Berührung am Ellbogen. »Chris?« Die Stimme war vertraut.
    Ich wandte mich um. Es war Shelly Potter in Jeans, Stiefeln und einer Daunenweste – beträchtlich mehr Kleidung als am Tag der Arbeit. Hinter ihrer Brille war ihr Gesicht von der Abendkälte gerötet.
    »He, wie geht’s?« fragte ich. Ob ihre Trauerarbeit wohl weitergekommen war? »Schreibst du auch über Sport?«
    Sie lachte. »Nein, ich sehe mir das nur gerne an.«
    »Dabei bist du noch nicht mal eine Einheimische. Gab’s keinen Football an der High School von Kansas City?«
    »Nicht so wie hier«, sagte sie. »Daheim ist alles viel entspannter, man gewinnt oder verliert. Aber hier …« Sie schüttelte den Kopf. »Hier flippen die Leute völlig aus.« Sie wies auf die Bänke der Rams und die Cheerleader. »Als ich vorhin dort unten vorbeigegangen bin, haben die Cheerleader gerade eine Rangers-Puppe zerfetzt.«
    »Dann hat sie wohl jemand abgeschnitten«, sagte ich.
    »Wie bitte?« Sie hob fragend eine Augenbraue, was sehr anziehend aussah.
    »Eine lokale Tradition. Jedes Jahr klettert jemand in der Nacht vor dem Spiel

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