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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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wahrsten Sinne des Wortes seine Lungen herausgezogen, so daß sie auf seinen Rücken herabhingen. Danach band dieser äußerst starke und agile Mörder ihm einen Strick um den Hals und knüpfte ihn am Wasserturm auf.
    Was die Polizei am Unglaublichsten fand, war die Tatsache, daß niemand etwas gehört oder gesehen haben wollte. So eklatant und scheußlich das Verbrechen und so bevölkert die Gegend zu der Zeit auch gewesen war, niemandem war etwas aufgefallen.
    Das Fest ging am folgenden Abend wie geplant über die Bühne, doch sowohl Phil als auch Aaron hielten es für einen völligen Reinfall. Alle schienen nur so zu tun, als würden sie sich amüsieren.
    Als Phil und ich am späten Sonntagnachmittag in Richtung Norden zurück zur Schule fuhren und kaum ein Wort wechselten, tat es mir nicht leid, Mount Vernon im Rückspiegel verschwinden zu sehen. Die Schule war nicht unbedingt sicherer, wie ich auf dem Innenhof erfahren hatte, doch die Rückfahrt gewährte trügerische Ruhe. Es brachte nichts, trotzdem spürte ich eine gewisse Erleichterung. Ich bedauerte nur, Aaron zurücklassen zu müssen. Denn was immer hinter mir her war, machte sich nun auch an ihn heran.
    Also überlasse ich es dir, Aaron, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun sollte. Und ich überlasse es auch dir, Shelly, weil es dich ebenso erschüttert hat wie uns.
    Und doch hatte ich keine Vorstellung, wie ich es mir selbst erklären oder uns beschützen sollte. Also war das Beste, was ich im Augenblick tun konnte, weiterzumachen. Und zu überleben.
    Eine letzte Bemerkung, eine ziemlich ironische. Zwei Tage nach dem Fest wurde Bobby Dennison in dem Anzug begraben, den er sich für diese Gelegenheit gekauft hatte.
     
    Der nächste Traum von Tri-Lakes kam kurz nach unserer Rückkehr – dieses Mal hatte er nichts mit einem Baum oder auch nur einem Grashalm zu tun.
    Ich ging Stufen hinauf, deren Farbe wie sonnenverbrannte Haut abblätterte, und erst, als ich ein großes Gebäude betrat, merkte ich, daß es Shellys Haus war. Ich weiß nicht, ob ich eine Einladung hatte – doch dort zu sein, schien mir das Natürlichste der Welt.
    An ihrer Tür hörte ich schwachen Lärm im Innern – ein Quietschen, stetig und rhythmisch. Natürlich trat ich ein. Dafür sind Türen ja da. Ihre Diele zog sich ewig in die Länge, und das Licht war vernebelt und ätherisch, und es herrschte Stille wie in einer Kathedrale – mit Ausnahme dieses Quietschens.
    Ihr Wohnzimmer. Der Rattansessel drehte sich wie an jenem müßigen Septembertag. Und Shelly? Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Sofa. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch ich erkannte sie an ihren Haaren, die sich über den Rand eines Kissens ergossen. Jemand lag zwischen ihren Beinen, die ausgestreckt waren, um ihn zu empfangen, und die Quelle des Quietschens war kein Geheimnis mehr.
    Das ist nicht richtig, dachte ich und schüttelte leidvoll den Kopf. Das ist überhaupt nicht richtig.
    Ich sah als vollkommener Voyeur zu, und jede ihrer kleinsten Bewegungen war eine köstliche Folter für mein Herz. Also sah ich zu. Bis ihr Gast bemerkte, daß ich da war, und sich mit den Armen hochstemmte.
    Mit seinen gefleckten, grauen Armen.
    Dennis Lawton sah kein bißchen besser aus als beim ersten Mal. Eher schlimmer noch, und ich wunderte mich, daß er mich sehen konnte, wo seine Augen doch nur noch feuchtschwarze Löcher waren. Shellys Hand streichelte zärtlich seine eingefallene Wange, und ihr Fingernagel riß ein Loch, so daß man seine Backenzähne sehen konnte.
    Doch er hatte nur Augen für mich. Sozusagen.
    »Was hast du dort oben ausgelöst?« fragte er mit einer Stimme, die sich mehr nach Kröte als nach Mensch anhörte. »Was hast du ausgelöst?«
    Ich? Er gab mir die Schuld? Hey, ich war doch ebenso ein Opfer wie alle anderen.
    Ich drehte mich um und wollte rennen, solange ich es noch konnte, doch die Tür war spurlos verschwunden. Kein Ausweg, kein Heimweg …
    Und dann schlurfte Dennis Lawton über den Boden und ließ eine Spur von Teilen seiner selbst zurück, um nachher wieder den Weg zum Sofa zu finden. Dann hoben seine Arme sich, und er riß große Fetzen Fleisch aus seiner Brust und seiner Schulter und seinem Rücken und seinen Beinen, und sie klatschten in dunklen Haufen auf den Boden.
    Und dann offenbarte sich der wahre Träger von Dennis Lawtons Haut – der Traumreiter des anderen Tri-Lakes, mit verfilztem Haar und blitzenden Augen und dem widerlichsten aller Gerüche.
    »Ich bin du«, sagte

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