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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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war Höskuldur alleine, da seine Eltern durch britische Sprengbomben im Kampf um Narvik im Sommer 1940 umgekommen waren.
    Melkorka erschrak, als sie so konkret mit dem Schicksal ihrer Urgroßeltern konfrontiert wurde. »Kann das stimmen, dass britische Soldaten sie getötet haben?«
    »Wie du weißt, gibt es bei Luftangriffen immer mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung als unter Soldaten, gleichgültig, wer daran beteiligt ist«, antwortete Beinteinn. »Die Eltern deines Großvaters waren schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, wie auch die anderen unschuldigen Opfer der Kriegsleute.«
    |80| Kurz nach dem Tod seiner Eltern hatte Höskuldur dann ein Angebot von Wiligut bekommen, für Himmler Runenforschung zu betreiben. Er ging nach Deutschland und bekam den Rang eines Unterscharführers bei der SS-Ab teilung Ahnenerbe im Rahmen einer Weiheveranstaltung unter den Externsteinen im Teutoburger Wald verliehen. Auf dem Foto von der Weihe war er der Dritte von rechts.
    »Was ist an den Felsen so besonders?«, wollte Melkorka wissen.
    »Die Externsteine genannten Felsen gehören zu einem Wald, den die Deutschen den Teutoburger Wald nennen. Er ist für die germanische Geschichte bedeutsam«, erklärte ihr Beinteinn. »Der römische Geschichtsschreiber Gaius Cornelius Tacitus beschreibt in seinem Werk ›Germania‹, das er im ersten Jahrhundert nach Christus verfasste, dass die Soldaten der Sachsen dem römischen Eindringling dortselbst eine verheerende Niederlage beigebracht haben. Das war im Jahre neun, als Augustus als Kaiser in Rom herrschte. Dieser Sieg der Germanen führte dazu, dass die Römer weitere Absichten, Germanien zu erobern, fürs Erste aufgaben. Von daher hat er in der deutschen Geschichte eine besondere Bedeutung. Diejenigen, die im neunzehnten Jahrhundert für die Vereinigung Deutschlands kämpften, betrachteten die Externsteine als heiligen Ort. Sie glaubten nämlich, dass die Sachsen an dieser Stelle ihre Irminsul aufgerichtet hatten. Diese Säule war das Abbild für den großen Weltenbaum, die Weltenesche, die von den Männern des Nordens Yggdrasill genannt wurde. Mit anderen Worten, Óðinns Baum.«
    Ganz unten auf der dritten Seite des Tagebuches hatte Höskuldur das Motto der SS in isländischer Übersetzung |81| verzeichnet:
Heiður minn er tryggð
– Meine Ehre ist die Treue. Unmittelbar danach schilderte er die Zeremonie unter den Felsen im Teutoburger Wald, wo er Adolf Hitler seine ewige Treue schwor – ihm »
und denen, die du über uns setzt, bis in den Tod«
.
    Melkorka überlief ein Schauer, als sie Beinteinn den Eidestext leise vorlesen hörte. Um nichts in der Welt konnte sie begreifen, wie ihr Großvater sich von diesem schwarzen Eid bis zu seinem letzten Atemzug hatte binden lassen können.
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    Melkorka fiel es schwer, den Runentext weiter zu dechiffrieren, doch sie biss die Zähne zusammen. Stundenlang brütete sie mit Beinteinn über Höskuldur Steingrímssons Tagebuch. Jede einzelne zweifelhafte Stelle wurde von allen Seiten diskutiert, bevor Melkorka den isländischen Text in den Computer tippte:
    Am Tag nach der Weihe im heiligen Hain der Götterfelsen bekam ich den Befehl, zum Reichsführer- SS in Berlin zu kommen, der mir eine wichtige Aufgabe des Deutschen Reiches übertragen wollte. Es war ein erhabener Augenblick, den mächtigen Führer der Germanen seine Bewunderung für die historische Aufgabe des isländischen Volkes zum Ausdruck bringen zu hören; dem Volk, dem es gelungen sei, seinen reinen, arischen Ursprung viel besser zu bewahren, als den Deutschen selbst. Er ist überzeugt davon, dass die isländischen Eddalieder der Schlüssel zur Welt der nordischen Vorväter des deutschen Volkes sind, jener ersten Arier, die lange vor der Entstehung des Christentums schon existierten. Die Erzählungen der uralten Lieder von den übernatürlichen Kräften und der Weisheit, die Óðinn aus dem Brunnen Mímirs schöpfte, und seine magischen Runen waren zweifellos als Wegweiser für die arischen Nachkommen der Vorväter angelegt und gedacht. Er hielt es auch für offenkundig, dass Þórs Hammer Mjölnir in Wirklichkeit
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eine uralte und mächtige Waffe ist, die mit Blitzen bei Gewittern nichts zu tun hat. Vielmehr haben es die Asen fertiggebracht, die Kraft der Elektrizität auf irgendeine Weise zu bändigen, die das heutige Wissen deutscher Wissenschaftler noch übersteigt. Er hat an einige handverlesene Mitarbeiter von Ahnenerbe den Befehl ausgegeben, die

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