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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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Klostergarten unter freiem Himmel, während die Mönche in der Kapelle beten. Dann nehme ich mit ihnen ein karges Frühstück im Refektorium ein, fahre gegen neun Uhr vormittags wieder mit meiner Suche fort, lege mittags eine kurze Essenspause ein und mache dann bis zum Abend weiter. Ich untersuche jedes Buch und jedes sonstige Stück der Sammlungen. Einige
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der Bücher sind wegen der Feuchtigkeit oder durch Mäuse oder Insektenfraß in schlechtem Zustand. Bisher habe ich keinerlei Anzeichen für Gotatýrs Runenlied gefunden, geschweige denn für Runen überhaupt. Aber ich werde unbeirrt weitersuchen. Geordnetes und planvolles Vorgehen ist Grundvoraussetzung für den Erfolg.
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    Am Nachmittag lud sich Robert M. Houston selbst zu einem erneuten Besuch ein. Kári zeigte ihm den Weg in das obere Stockwerk zu Melkorka, die dem Amerikaner Beinteinn als einen der bedeutendsten isländischen Poeten seiner Generation vorstellte.
    Der Alte verzog das Gesicht. »Einer der bedeutendsten?«, echote er und schüttelte Houston die Hand. »Ich muss zugeben, dass mir kein vergleichbarer Poet in den Sinn kommt.«
    »Haben Sie die E-Mail von Greta von Trittenheim-Schneider gesehen?«, fragte der Professor und ließ sich in das weiche Ledersofa fallen.
    »Ja«, antwortete Melkorka. »Glauben Sie, dass sie recht hat?«
    »Ich denke schon«, entgegnete Houston und warf seinen Hut auf den weißen Schreibtisch. »Ich habe mich ein wenig mit dem Lebensweg des Freiherrn beschäftigt, als ich das Buch über Himmler geschrieben habe. Im Dritten Reich nannte man Rudolf von Trittenheim den
Schwarzen Bankdirektor

    »Warum das? War er in Geschäfte auf dem Schwarzmarkt verwickelt?«
    »Nein. Schwarz war schlicht und einfach die dem Germanentum zugeordnete Farbe der SS. Seit Mitte der vierziger |88| Jahre hatte der Freiherr eine bedeutende Rolle inne für die Finanzen der SS und auch für Himmler selbst. Er stammte aus einer alteingesessenen deutschen Adelsfamilie und hatte sich schon ein paar Jahre vor der Machtergreifung Hitler angeschlossen. Himmler nahm den Freiherrn 1932 in die SS auf und machte ihn zwei Jahre später zu seinem wichtigsten Verbindungsmann zur deutschen Reichsbank. Von dort flossen Himmler nach der Machtergreifung große Geldsummen zu. Das änderte sich später, als die SS einen Teil des umfangreichen Vermögens, das die Nationalsozialisten den Juden raubten, zur Wiederverwertung und Aufbewahrung in die Reichsbank schickte. Freiherr von Trittenheim war wahrhaft einer der berüchtigsten Räuberhauptmänner in der größten Räuberbande der Geschichte, als er einige Monate vor Kriegsende in Europa urplötzlich spurlos verschwand.«
    »Wie hat er das angestellt?«, fragte Melkorka.
    »Das weiß anscheinend niemand so ganz genau. Nach dem Krieg kursierten verschiedene Theorien. Die einen behaupteten, Himmler habe ihn wegen großangelegter Finanzbetrügereien eliminieren lassen. Die anderen sagten, dass er zunächst in die Schweiz oder nach Schweden geflohen sei, wo er mächtige Geschäftsfreunde hatte, und nach Kriegsende nach Südamerika ging, wie so viele andere SS-Angehörige auch. Sein Verschwinden ist eines von zahlreichen ähnlichen Ungeklärtheiten seit Ende des Dritten Reiches. Nur dass von Trittenheim schon mindestens ein halbes Jahr verschwunden war, bevor die Deutschen vor den Amerikanern kapitulierten, das weiß man.«
    Melkorka konnte sich jetzt nicht mehr zurückhalten: |89| »Und Sie glauben, mein Großvater ist der andere Mann vor dem U-Boot auf dem Foto? Ich meine den neben dem Freiherrn.«
    »Das erscheint mir sehr wahrscheinlich, aber ich habe keine Beweise. Können Sie mir ein altes Foto von Höskuldur zum Vergleich beschaffen, zum Beispiel als er in den Zwanzigern war?«
    »Nein. Mir wurde erst gestern Abend klar, dass das älteste Foto, das ich von meinem Opa gesehen habe, das Hochzeitsfoto von 1958 ist. Mutter kann sich ebenfalls nicht daran erinnern, jemals ein Foto von Höskuldur gesehen zu haben, das vor seiner Hochzeit aufgenommen wurde. Da war er schon über dreißig.«
    »Das ist für einen Mann mit einer solchen Vergangenheit keineswegs ungewöhnlich«, erklärte Houston. »Nach dem Krieg war es ja nicht gerade eine Empfehlung, an der Seite der Deutschen gekämpft zu haben. Ganz zu schweigen davon, wie es war, als die unmenschlichen Verbrechen der Nazis bekannt wurden. Die schlimmsten Gräueltaten wurden meist von der SS verübt. Viele der jungen Männer in Schweden, Norwegen und

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