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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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Dänemark, die der SS zu Tausenden beigetreten waren und überlebt hatten, schwiegen nach der Rückkehr tunlichst über ihr Vorleben. Manche von ihnen heirateten und bekamen Kinder, die von dieser Vergangenheit überhaupt nichts erfuhren. Dein Großvater scheint genauso gehandelt zu haben. Zweifellos vertraute er darauf, dass es keinen anderen Isländer gab, der von seiner Karriere im Dienste Himmlers etwas hätte ausplaudern können.«
    »Aber warum brachte er sich dann in der Naziuniform um, nachdem er all die Jahre geschwiegen hatte?«
    |90| »Eine solche Frage müssten Sie wahrscheinlich besser einem Psychologen oder Psychiater stellen. Es gehört in deren Fachbereich, darüber zu befinden.«
    Melkorka senkte zögernd den rothaarigen Kopf, als stimmte sie zu. Dabei drängte sich ihr der Verdacht auf, dass ihr Großvater diese öffentliche Inszenierung seines Todes viel eher aus unerschütterlicher Treue zu seinem alten politischen Traum gewählt hatte, der nichts anderes war als ein furchtbarer Alptraum für Millionen.
    »Wenn Ihre Vermutung zutrifft, dann stellt sich die Frage, was der Fundraiser von Trittenheim und der Runenexperte Höskuldur Steingrímsson gemeinsam hatten«, warf Kári ein und betrachtete das Foto auf dem Bildschirm seiner Frau.
    »Außer der offensichtlichen Tatsache, dass beide SS-Mitglieder waren?«
    »Ja«, sagte Melkorka. »Warum würden sie sonst da nebeneinander vor der U-703 stehen?«
    »›Wann‹ ist nach meiner Einschätzung eine nicht minder wichtige Schlüsselfrage«, entgegnete der amerikanische Professor. »Deshalb müssen Sie mir erlauben, mich mit dem Tagebuch Ihres Großvaters auseinandersetzen zu dürfen. Die Antwort ist mit Sicherheit darin zu finden.«
    Melkorka stand abrupt auf, ging zum Fenster und sah hinaus auf den ruhigen Fluss, der sich in einem grünen Tal zum Meer hinunterwand.
    »Wir brauchen dabei keine Hilfe«, stellte Kári klar. »Beinteinn hat den Schlüssel zum Code des Tagebuchs bereits gefunden.«
    Houston wandte sich auf dem Sofa um und fixierte den Dichter von Hvíthöfði.
    |91| »Können Sie wirklich den gesamten Text lesen?«, fragte er scharf.
    »So flüssig wie das Vaterunser und meine eigenen Gedichte«, konterte Beinteinn und griff nach seiner halbvollen Tasse schwarzen Kaffees.
    »Kann ich mal sehen?«
    Melkorka reichte dem Professor den Computerausdruck von Beinteinns Übersetzung der ersten Seite des Tagebuchs.
    Houston nickte lebhaft.
    »Ja, hier erwähnt er Dr. Schweizer. Das habe ich dann also richtig aufgefasst«, sagte er. »Ausgezeichnet, wirklich ausgezeichnet.«
    Die Türglocke schrillte ihnen in den Ohren.
    Kári ging öffnen. Kurz darauf erschien er wieder im oberen Stockwerk, gefolgt von einer Frau um die dreißig. Sie war blond und kräftig gebaut, trug einen dunkelblauen, knielangen Rock, ein Kostüm in derselben Farbe und silberne, hochhackige Schuhe. Ihr Gesicht war sonnengebräunt, die Augen strahlend blau und wachsam und ihre Gesichtszüge herb, wie nach langen Aufenthalten unter freiem Himmel.
    »Ich bin Greta von Trittenheim-Schneider«, sagte sie auf Englisch mit sanfter, einschmeichelnder Stimme.
    |92| 19
    Melkorka nahm das Auftauchen der Deutschen gelinde gesagt übel auf, aber Robert M. Houston ging sofort zur Verteidigung über.
    »Das ist ganz zweifellos meine Schuld«, sagte der Professor entschuldigend. »Ich habe Frau Schneider in einer E-Mail davon berichtet, dass in dem Text des Tagebuches vermutlich weitere Informationen über das Schicksal ihres Großvaters zu finden sind, da es in dem Buch eine Fotografie von Rudolf v. Trittenheim und H. Steingrim vor dem U-Boot gibt. Dass sie aber in das nächste Flugzeug springen würde, davon hatte ich allerdings nun auch keine Ahnung.«
    »Sie stecken also dahinter«, bemerkte Melkorka kühl.
    »Touché!«
    »Ich habe verständlicherweise nicht einfach tatenlos dasitzen können«, ließ sich Greta Schneider vernehmen. »Jahrelang habe ich versucht herauszufinden, was aus meinem Großvater wurde, habe aber nichts als jede Menge Klatsch und Gerüchte gehört. Ich habe aber niemals handfeste Informationen erhalten, die sich hätten bestätigen lassen. Wenn Sie auf neue Tatsachen über die letzte Reise meines Großvaters gestoßen sind, dann finde ich es nur gerecht, dass ich erfahre, welche Tatsachen das sind. Ich brenne auf Antworten, um meinen Großvater zur letzten |93| Ruhe zu betten und gleichzeitig Frieden für meine Seele zu bekommen.«
    Melkorka betrachtete die

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